Von Gerhard Gnauck, Warschau
Politischer Korrespondent für Polen, die Ukraine, Estland, Lettland und Litauen mit Sitz in Warschau.
-Aktualisiert am 30.11.2023-17:53
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Tausende Fernfahrer aus der Ukraine müssen wochenlang warten, weil polnische und nun auch slowakische Fahrer die Grenze blockieren. Die ukrainischen Spediteure haben bereits 400 Millionen Euro Verlust erlitten.
Die Blockade an den Grenzübergängen der EU zur Ukraine droht sich weiter zu verschärfen. Von Freitag an wollen nach Polen auch in der Slowakei Fernfahrer den Güterverkehr auf längere Zeit blockieren. Der wichtigste Übergang Vyné Nemecké werde gesperrt, nur humanitäre und militärische Hilfe werde durchgelassen, teilte der slowakische Fahrerverband UNAS mit. In Bratislava hatten Fernfahrer am Mittwoch Verkehrsminister Jozef Rá ihre Forderungen vorgelegt.
Sie protestieren, wie auch die polnischen Fahrer, vor allem gegen das Verkehrsabkommen der EU mit der Ukraine vom Sommer 2022. Die EU hatte nach Beginn des russischen Angriffskriegs die bisherigen nationalen Quotenregelungen für den Güterverkehr mit der Ukraine aufgehoben, um den Firmen des Landes Erleichterung zu verschaffen. Die Blockierer sehen darin eine ungerechte Bevorzugung der ukrainischen Fernfahrer, die weniger Lohnkosten verursachen und angeblich unerlaubt Fahrten innerhalb des Unionsgebiets unternehmen. Sie müssten strenger kontrolliert werden.
Das slowakische Ministerium teilte mit, man respektiere das "Recht der Fahrer, zu streiken". Man habe sich darauf geeinigt, dass die Aktion "das Leben der Bewohner der Ostslowakei nicht allzu sehr stören" solle. In der Slowakei hatte im Oktober der Populist Robert Fico die Macht übernommen. Er hat angekündigt, der Ukraine Waffen nur noch auf kommerzieller Grundlage zu liefern, und Sympathie für Moskaus Positionen im Krieg gezeigt. Am Mittwoch erweiterte die Regierung in Bratislava zudem den Importstopp gegen ukrainisches Getreide und weitere Agrarprodukte. Neben der Slowakei haben auch Polen und Ungarn gegen den Willen der EU einen Importstopp gegen ukrainisches Getreide verhängt, um die einheimischen Landwirte zu schützen.
Derweil stehen die Lastwagen in Polen, wo die Blockaden am 6. November begonnen hatten und inzwischen die vier wichtigsten Grenzübergänge betreffen, in Schlangen mit Wartezeiten bis zu zwei Wochen. Ein Verband der ukrainischen Spediteure bezifferte die Verluste bereits vor einer Woche auf etwa 400 Millionen Euro. Der stellvertretende ukrainische Wirtschaftsminister Taras Katschka hat dazu aufgerufen, den Protest "am Verhandlungstisch zu lösen, nicht im Winter auf der Straße, wo nicht nur die Wirtschaft, sondern auch Gesundheit und Leben der Fahrer geschädigt werden".
In Polen haben die Protestierenden Staatspräsident Andrzej Duda aufgerufen, sich in den Konflikt einzuschalten. Duda müsse den für schwerwiegende Probleme vorgesehenen sogenannten Kabinettsrat einberufen und sich mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj treffen. Am 4. Dezember sollen die Transportminister der EU in Brüssel nach einer Lösung für die Grenzblockaden suchen.