FOCUS-online-Autorin Laura Stunz
Donnerstag, 25.08.2022, 09:26
Im Rahmen des Gasnotfallplans plant die EU-Kommission bereits seit einiger Zeit umfassende Energiesparmaßnahmen in ganz Europa. Der Entwurf sieht unter anderem vor, die Heiztemperatur auf 19 Grad zu reduzieren.
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In Deutschland wurden die Maßnahmen dafür im Entwurf der Kurzfristenergiesicherungsverordnung (EnSikuV) festgelegt, der bereits Anfang September durch eine Verordnungsermächtigung aus dem Energiesicherungsgesetz durch den Bundestag in Kraft treten soll.
Ziel der Verordnung sei es, zwei Prozent des deutschen Gasverbrauchs einzusparen. Die wichtigsten Maßnahmen gehen aus dem Hintergrundpapier des federführenden Bundeswirtschaftsministeriums, dem Robert Habeck vorsteht, hervor. Sie sollen bis Ende Februar gelten:
Senkung der Lufttemperaturen in öffentlichen Gebäuden:
Ausnahmen gelten in besonders schutzwürdigen Bereichen wie
Auch private Arbeitgeber sind berechtigt, nur die Mindesttemperatur von 19 Grad dauerhaft einzuhalten. Zudem sollen Mieter das Thermostat eigenständig herunterdrehen dürfen - unabhängig von vertraglich festgelegten Vereinbarungen, nach denen der Mieter selbstständig Mindesttemperaturen im Wohnraum gewährleisten muss. Pflichten, durch angemessenes Heiz- und Lüftungsverhalten Substanzschäden an der Mietsache vorzubeugen, seien davon jedoch nicht betroffen.
Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände bezweifelt hingegen, dass Mieter selbst einschätzen könnten, in welchem Umfang bei einer Temperaturabsenkung verstärkt gelüftet werden müsse. Es sei daher außerordentlich wichtig, dass die Wohnungsunternehmen ihre Mieter entsprechend beraten und unterstützen, um eine gesundheitsgefährdende Schimmelbildung oder Schäden an der Gebäudesubstanz zu verhindern.
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Denn: Raumtemperatur ist nicht gleich Raumtemperatur. Je nach Gebäude und Nutzung variiert die empfohlene Temperatur. Die bisherige Empfehlung des Umweltbundesamtes lautet:
Doch nicht nur die Gebäudesubstanz ist durch die Senkung der Rauminnentemperaturen betroffen. Laut Experten könnte es hinsichtlich der Angst vor enormen Heizrechnungen seitens Privatpersonen - durch zu wenig beheizte Innenräume - flächendeckend zu gesundheitlichen Problemen bis hin zur Unterkühlung kommen.
Ein wichtiger Punkt ist die Schimmelbildung. Denn: Eine geringere Raumtemperatur senkt den Taupunkt der Luftfeuchtigkeit, sie kondensiert dann eher an den Wänden. Tagsüber sollten Raumtemperatur dementsprechend nicht unter 19 oder besser noch 20 Grad Celsius gesenkt werden, um Schimmelbildung zu vermeiden.
Zahlreiche Studien haben bereits Zusammenhänge zwischen der Belastung durch Schimmelpilze und Atemwegsbeschwerden belegt. Da Sporen und Stoffwechselprodukte von Schimmelpilzen über die Luft eingeatmet werden, können reizende Reaktionen ausgelöst werden. So steigt das Risiko für:
Laut Angaben der Verbraucherzentrale sind gesundheitlich vorbelastete und immungeschwächte Menschen besonders gefährdet.
Da die Kälte den Blutdruck durch die Verengung der Blutgefäße erhöht, steigt das Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt - vor allem für Menschen mit bereits bestehenden Herz-Kreislauf-Krankheiten.
Laut der Herzstiftung sind Menschen mit folgenden Erkrankungen besonders gefährdet:
Studien zeigen zudem, dass auch eine zu kalte Wohnung für Blutdruckanstieg hervorrufen kann. Eine japanischen Studie aus dem Jahr 2013, die an gesunden Menschen durchgeführt wurde, belegte beispielsweise messbar niedrigere Blutdruck-Werte bei einer Raumluft von 24 Grad Celsius gegenüber 14 Grad Celsius. Bei kälteren Temperaturen sollten Vorerkrankte demnach besonders gut auf die Signale ihres Körpers hören. Studien zufolge steigt das Risiko für Herzprobleme mit jedem fallenden Grad. Lebensbedrohlich wird es aber erst ab vier Grad minus.
Regelmäßige Bewegung und die (ärztliche) Anpassung der Medikation könnten hilfreiche Gegenmaßnahmen sein.
Welche Temperaturen sind also in Innenbereichen im Winter aus gesundheitlicher Sicht tragbar? Die WHO-Leitlinien deklarieren 18 Grad Celsius als absolutes Minimum für gesunde Menschen. Gefährdete Gruppen müssen dringlichst gesondert behandelt werden.
Neben genannten Gesundheitsrisiken steigt auch die Unterkühlungsgefahr bei bestimmten Risikogruppen. Dazu gehören:
Welchen Einfluss die Raumtemperaturen generell auf das Sterberisiko an Unterkühlung habe, ist zu beurteilen, da bislang aussagekräftige Statistiken fehlen. Für gesunde Menschen bringen leicht gesenkte Raumtemperaturen nach jetzigem Erkenntnisstand generell keine vermehrte Unterkühlungsgefahr mit sich.
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Zu einer Unterkühlung kommt es, wenn die Wärmeabgabe des Körpers über einen anhaltenden Zeitraum größer ist als die Wärmeproduktion. Die normale Körpertemperatur des Menschen liegt zwischen 36,5 und 37,4 Grad Celsius - abhängig von körperlichen Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Muskelmasse, Körperfettanteil und Hormonen. Sie wird von Faktoren wie Bewegung, Kleidung und auch die Außentemperaturen beeinflusst. Auch die Tageszeit hat Einfluss auf die Kerntemperatur.
Von einer Unterkühlung spricht man, wenn die Körpertemperatur unter 35 Grad Celsius absinkt. Das kann neben Aufenthalten im Freien bei kaltem, windigem Wetter, in kaltem Wasser auch in zu kalten Wohnungen passieren. Ausschlaggebend ist, dass der Körper mehr Wärme verbraucht, als er produzieren kann. Alte, kranke oder erschöpfte Kinder sowie Kinder sind hier entsprechend anfälliger.
Laut dem Deutschen Roten Kreuz gibt es zwei Stadien der Unterkühlung, die sich nach Grad der Ausprägung wie folgt zeigen:
Quelle: focus.de