JOB-HAMMER IM NORDEN

Finnen-Chefin (34) will Vier-Tage-Woche einführen

Premierministerin Sanna Marin will zudem den Arbeitstag von acht auf sechs Stunden verkürzen

Finnlands neue Regierungschefin Sanna Marin hält die 40-Stunden-Arbeitswoche für überholt, will die Vier-Tage-Woche testen
Foto: Imago

veröffentlicht am 06.01.2020

Wird Finnland schon bald zum Arbeitnehmer-Mekka - und zur familienfreundlichsten Nation der Welt?

Die neue Regierungschefin Sanna Marin (34) will eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit testen, ihren Landsleuten dadurch zu mehr Lebensqualität verhelfen. Bereits in ihrer Zeit als Verkehrsministerin hatte die Sozialdemokratin den Sinn des in Finnland üblichen acht-Stunden-Arbeitstags hinterfragt: "Ich denke, die Menschen verdienen es, mehr Zeit mit ihren Familien, ihren Lieben, ihren Hobbys und anderen Lebensbereichen wie der Kultur zu verbringen", sagte Marin bei einem Partei-Kongress.

Jetzt, wenige Wochen nach Amtsantritt, werden die Pläne für eine Testphase konkret, die auch die Vier-Tage-Woche umfassen soll. Hintergrund: In Finnland ist bislang eine 40-Stunden-Woche üblich.

Marin selbst muss ihre politischen Verpflichtungen mit ihrer Rolle als Mutter einer kleinen Tochter vereinbaren. Die Finnin ist aktuell die jüngste Regierungschefin der Welt - bis morgen Sebastian Kurz (33) erneut als Kanzler in Österreich vereidigt wird. Sechs-Stunden-Tage gibt es schon - in Schweden

Bereits seit den Neunziger-Jahren geht Finnland eigene Wege bei Arbeitnehmer-Rechten. So können viele Finnen ihre Arbeitszeit in einem mehrstündigen Zeitfenster flexibel beginnen und beenden, wovon sie vor allem im Sommer regen Gebrauch machen.

Für den Test nimmt Finnland sich ein Beispiel an Schweden, wo seit Jahren mit Sechs-Stunden-Arbeitstagen experimentiert wird. Mit dem Ergebnis, dass die Mitarbeiter dort zufriedener, seltener krank und effizienter wurden - und die Zahl der Arbeitslosen durch die notwendigen Neueinstellungen spürbar sank. Allerdings waren die Kosten - der volle Lohnausgleich entsprach einer 25-Prozent-Gehaltserhöhung - so hoch, dass z.B. die Stadt Göteborg die Arbeitszeiten inzwischen wieder verlängern musste.

Auch die Vier-Tage-Woche gibt es bereits vereinzelt, z. B. in Neuseeland. Für Wirbel sorgte zuletzt die japanische Microsoft-Niederlassung mit ihrem Drei-Tage-Wochenende-Test: Laut Auswertung wurden die 2300 Mitarbeiter nach Einführung des freien Freitags um fast 40 Prozent produktiver. Weil auch die Mitarbeiter begeistert und die Betriebskosten sogar gesunken sind, geht das Experiment in die Verlängerung.

Finnlands Regierungschefin Marin (zweite von rechts) wird bei ihren Reformplänen von Bildungsministerin Li Andersen (32, links) unterstützt. Daneben: Finanzministerin Katri Kulmuni (32) und Innenministerin Maria Ohisalo (34)
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Die Unterstützung aus dem eigenen Regierungslager dürfte Marin bei ihren mutigen Plänen sicher sein: Sie führt eine Mitte-Links-Koalition mit vier anderen Parteien, die alle von Frauen geführt werden, von denen drei unter 35 Jahre alt sind.

Bildungsminister Li Andersson (Linksbündnis) wies den Vorwurf feministischer Politik zurück: "Es geht nicht darum, mit einem weiblichen Stil zu regieren, sondern Hilfe anzubieten und Wahlversprechen einzuhalten".

Ausdrücklich geht es der Regierungschefin um Vereinbarkeit von Mutter-Dasein und Beruf, nicht um längeren Mutterschutz. In ihrer Neujahrsansprache kündigte Marin an, das Recht auf frühkindliche Bildung und Vollzeit-Betreuung in kleinen Kita-Gruppen wiederherzustellen. Außerdem kündigte sie an, mehr Geld in Bildung und Forschung zu investieren.

Einen weiteren Schwerpunkt legt die junge Regierungschefin auf den Klimaschutz: Finnland werde bis 2035 klimaneutral sein, sagte Marin in ihrer Neujahrsansprache. Ihr Land wolle aber auch einen Beitrag bei den internationalen Bemühungen zum Klimaschutz leisten, mit Pioniergeist einer innovativen Industrie, die den "riesigen Markt für neue Klimatechnologien" bedient.

Bereits bei ihrem ersten EU-Gipfel hatte sie im Dezember ihren teilweise deutlich älteren Amtskollegen Dampf gemacht: "Wir müssen mehr fürs Klima tun! Wir müssen es schneller tun! Es ist für die Zukunft unserer Kinder!"


Quelle: bild.de vom 06.01.2020