Europas Aufrüstung : Wir tun es nicht für Trump

Ein Kommentar

von Nikolas Busse

24.06.2025, 11:43 Lesezeit: 3 Min.

Europa ist ein Verlierer der neuen Weltordnung. Immerhin wollen sich Amerikas NATO-Verbündete wieder um ihre eigene Verteidigung kümmern. Das müssen sie auch.

Es grenzt an eine Demütigung, was die Europäer in der Causa Iran übers Wochenende erlebt haben. Da bemühen sich die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens am Freitag in Genf um eine diplomatische Lösung, angeblich in Absprache mit den Amerikanern. Präsident Trump sagt aber noch am selben Abend, dass Europa gar nicht von Hilfe sein könne, die Iraner wollten sowieso nur mit Amerika sprechen. Kurz darauf lässt er dann die iranischen Atomanlagen bombardieren. Der deutsche Außenminister Wadephul hatte noch ein paar Tage zuvor öffentlich die Einschätzung geäußert, Amerika werde nicht in den israelisch-iranischen Krieg eintreten.

Das sind nicht nur Startschwierigkeiten eines Außenministers, dem (wie seinem Kanzler) die exekutive Erfahrung abgeht. Hier offenbart sich die neue Wirklichkeit der transatlantischen Beziehungen, die in Europa viele immer noch nicht wahrhaben wollen. Trump ist seit dem Wochenende vielleicht nicht mehr der Isolationist, für den er sich vor seinen Wählern ausgegeben hat. Aber er ist eben auch kein treuer Partner Europas. Ähnlich ist er derzeit George W. Bush in dessen erster Amtszeit, als Amerikas Außenpolitik von Unilateralismus geprägt war. Er beansprucht maximale Handlungsfreiheit und legt die nationalen Interessen Amerikas eng aus. Die Beseitigung einer potentiellen nuklearen Bedrohung aus Iran gehört dazu, die Unterstützung der Ukraine nur in begrenztem Umfang.

Europa zählt nicht mehr

Mit dieser Bündnisvormacht werden sich die europäischen NATO-Mitglieder an diesem Dienstag und am Mittwoch in Den Haag wieder an einen Tisch setzen. Ein paar kleinere Risse sind vor dem Gipfel übertüncht worden, aber sie sind letztlich nicht entscheidend. Ob und wann Spanien das neue Fünf-Prozent-Ziel der Allianz erfüllt, ist für die Abschreckung Russlands zweitrangig. Es kommt vor allem auf die drei stärksten Mächte Europas an und auf die Länder an der Ostflanke. Und hier gibt es nach vielen Jahren, in denen man besonders in Deutschland bei militärischen Fragen einfach den Kopf in den Sand steckte, endlich den Willen, mehr für die Verteidigung zu tun.

Trotzdem ist die NATO des Jahres 2025 nicht mehr die des Jahres 1949, als sie gegründet wurde. Man muss nicht so weit gehen wie der italienische Verteidigungsminister, der die Allianz in ihrer heutigen Form für irrelevant hält. Aber er hat schon recht mit der Beobachtung, dass Europa auf der Weltbühne nicht mehr zählt.

Der alte Kontinent, der die Geschicke der Menschheit so lange dominiert hat, ist ein Verlierer der neuen multipolaren Weltordnung. Der Aufstieg neuer Mächte wie China oder Indien hat Europa nicht nur (relativ) schwächer gemacht, sondern er lässt auch immer öfter die Interessengleichheit zwischen (West-)Europa und Amerika verblassen, die im Kalten Krieg die NATO zusammenhielt. Von Washington aus gesehen ist Russland heute nicht mehr der Hauptgegner, sondern ein strategischer Rivale unter mehreren und noch nicht mal der größte. Das ist China.

Würde Amerika in den Krieg ziehen?

Gemessen daran ist es schon ein Erfolg, dass die NATO noch einmal die politische Kraft für ein neues gemeinsames Rüstungsziel aufbringt. Generalsekretär Rutte hat Trumps Vorgaben geschickt in ein Paket verpackt, das den europäischen Verbündeten einiges abverlangt. Das ist aber immer noch besser als das Szenario, das Trump auf seinem ersten NATO-Gipfel im Jahr 2018 in Aussicht stellte: dass Amerika das Bündnis verlassen könnte. Das neue Fünf-Prozent-Ziel ist in Wirklichkeit ein 3,5-Prozent-Ziel, denn so hoch soll der Anteil der harten Militärausgaben an der Wirtschaftsleistung werden. Es sei daran erinnert, dass die alte Bundesrepublik im Kalten Krieg lange mehr als drei Prozent erreichte, zeitweise viel mehr. Das kann eine immer noch wohlhabende Gesellschaft also durchaus aufbringen.


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