Erika Steinbach verlässt CDU und attackiert Angela Merkel
Paukenschlag in der CDU: Erika Steinbach hat angekündigt, die Partei zu verlassen. Die Bundestagsabgeordnete war seit 1974 Mitglied in Union. Ihren Schritt begründet Steinbach vor allem mit der Flüchtlingspolitik der CDU. In einem Interview mit der "Welt am Sonntag" schießt sie scharf gegen die Parteivorsitzende, Kanzlerin Angela Merkel.
Die wichtigsten Vorwürfe im Überblick:
Die Euro-Rettungspakete hätten den Stabilitätspakt aus den Angeln gehoben und wurden am Recht vorbei durchgesetzt, meint Steinbach. "Der Grundsatz, dass kein Euroland finanziell für ein anderes einstehen muss, hoch und heilig dem Deutschen Bundestag und dem eigenen Volk bei der Einführung des Euro versprochen und in europäischen Verträgen verankert, wurde über Bord geworfen."
Der Ausstieg der Bundesregierung aus der Atomenergie sei im März 2011 "innerhalb von ganzen drei Tagen nach der Fukushima-Katastrophe im fernen Japan" erfolgt. Und das "ohne jegliche Rechtsgrundlage und ohne akute Gefahr", wirft sie der CDU-Parteivorsitzenden vor. "Weder die CDU/CSU-Bundestagsfraktion noch das Parlament wurden damit befasst, obwohl nur fünf Monate zuvor der Deutsche Bundestag eine Laufzeitverlängerung beschlossen hatte", schreibt Steinbach weiter. "Nur er wäre legitimiert gewesen, eine solche Entscheidung zu fällen."
2015 habe "die einsame Kanzlerentscheidung" dazu geführt, dass "mehr als eine Million Migranten ungesteuert und unüberprüft monatelang nach Deutschland nicht nur einreisen" konnten, "sondern sie auch noch mit Bussen und Zügen hierher" transportiert wurden. Und das, so Steinbach, "obwohl viele aus einem sicheren Herkunftsland kamen und praktisch alle über andere EU-Länder eingereist waren". Nach geltendem EU-Recht hätten sie zurückgewiesen werden müssen, schreibt Steinbach, ohne allerdings auf die humanitäre Notsituation einzugehen, die zu der Entscheidung Merkels geführt hat.
Steinbach beklagt den fehlenden Widerstand gegen die Politik Merkels, auch bei der Energiewende und der Euro-Rettung: "Beunruhigenderweise gibt es zu den angesprochenen Politikfeldern praktisch keine Opposition mehr im Deutschen Bundestag. Die Bundesregierung kann und konnte diese Art der Politik nur betreiben, weil sie den linken Teil des Parlaments weitgehend auf ihrer Seite hat."
Gerade den letztgenannten Punkten nimmt die frühere Präsidentin des Bundes der Vertriebenen für eine Generalkritik an der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung zum Anlass. Durch übereilte Entscheidungen sei Asylbetrug Tür und Tor geöffnet worden. Sie führt weiter aus, dass das Vertrauen "in unseren Rechtsstaat ausgehöhlt" wird, "wenn Strafmandate für falsches Parken konsequent eingetrieben werden", Straftaten wie Dokumentenfälschung die sie in rund 2000 unterstellt "ohne jegliche Sanktionen bleiben". Auch die Terrorismusgefahr und die Bedrohung für die öffentliche Sicherheit seien gestiegen, schreibt Steinbach. Die Integration der Menschen würde "Jahre dauern, wenn sie denn überhaupt gelingt".
Steinbach sagt, die CDU habe eine falsche Gesellschaftspolitik betrieben und dadurch auch zur Entstehung der AfD beigetragen: "Die AfD greift heute Themen auf, die in den vergangenen Jahren defizitär geworden sind. Und: sie ist auch Fleisch vom Fleisch der CDU!"
Schwerwiegende Kritik an Kanzlerin Merkel
Im Fazit resümiert die ehemalige CDU-Politikerin, dass "die Bundeskanzlerin und Vorsitzende der CDU ihre Entscheidungen im Sinne ihrer Perspektive und politischer Auffassungen notfalls auch unter Außerachtlassung von Recht und Gesetz trifft".
Es sei dabei "für sie offenkundig unerheblich, ob Grundlagen und Beschlüsse der eigenen Partei konterkariert werden, ob verabschiedete Koalitionsvereinbarungen davon betroffen sind oder ob dadurch geltendes Recht verletzt wird", so der schwerwigende Vorwurf Steinbachs.
Insgesamt stelle sie fest, "dass Angela Merkel sowohl der CDU als auch Deutschland mit ihren einsamen Entscheidungen in wesentlichen Politikbereichen massiv geschadet hat".
Steinbach macht die Kanzlerin auch für die von ihr ausgemachte "tiefste Krise der EU ihrer Geschichte" verantwortlich.
Da sie aber überzeugt sei, "dass sich politische Entscheidungen unter einer Parteivorsitzenden und Kanzlerin Merkel weiterhin nicht primär am langfristigen Wohle Deutschlands und am geltenden Recht ausrichten werden", müsse sie nach über vierzig Jahren CDU-Mitgliedschaft "mit Trauer im Herzen leider feststellen": "Das ist nicht mehr meine Partei."
Der Artikel bei Focus-online