Von
Alexander Kühn und
13.04.2023, 10.49 Uhr
Von Ostdeutschen hält Mathias Döpfner offenbar recht wenig. "Meine Mutter hat es schon immer gesagt. Die ossis werden nie Demokraten", schrieb der Chef des Axel-Springer-Konzerns 2019 in einer internen, bisher unveröffentlichten Nachricht. "Vielleicht sollte man aus der ehemaligen ddr eine Agrar und Produktions Zone mit Einheitslohn machen." In einer anderen Nachricht äußerte er sich noch verächtlicher: "Die ossis sind entweder Kommunisten oder faschisten. Dazwischen tun sie es nicht. Eklig."
Diese und weitere Ausfälle Döpfners sind in der aktuellen Ausgabe der "Zeit" nachzulesen.
Der Wochenzeitung wurden interne Dokumente aus dem Umfeld des Konzernchefs zugespielt. Sie stammen aus den vergangenen Jahren, laut "Zeit" sind es Mails und Chatnachrichten, die Döpfner mit seinem engsten Führungskreis ausgetauscht hat, manche früh am Morgen oder spät nachts. Die Tippfehler und Fremdwörter seien aus den Originalen übernommen worden. Ein Teil der Nachrichten ging erkennbar an den damaligen "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt.
Die Dokumente erlauben einen tiefen Einblick in die Gedankenwelt Döpfners, dessen Verlag mit den Medienmarken "Bild" und "Welt" beträchtlichen Einfluss auf die deutsche Öffentlichkeit hat. Wie der Springer-Boss tickt, zeigte sich schon in der Vergangenheit in geleakten Nachrichten. Während der Coronapandemie verteidigte er den damaligen "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt in einer Nachricht an den Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre als letzten und einzigen Journalisten, "der noch mutig gegen den neuen DDR Obrigkeits-Staat aufbegehrt". Ein andermal forderte er enge Führungskräfte auf, für eine Wiederwahl des US-Präsidenten Donald Trump zu "beten". Döpfner tat diese Nachrichten als Ironie oder "bewusste Übertreibung" ab. Die nun veröffentlichten Dokumente belegen einmal mehr, wie radikal sein Weltbild mitunter ist.
Einige Nachrichten zeigen, wie Döpfner den Ausgang der Bundestagswahl 2021 via "Bild" beeinflussen wollte. Seine Präferenzen lagen damals offenbar klar bei den Liberalen. "Unsere letzte Hoffnung ist die FDP", schrieb Döpfner im August 2021 laut "Zeit" in einer internen Nachricht. "Nur wenn die sehr stark wird - und das kann sein - wird das grün rote Desaster vermieden. Können wir für die nicht mehr tun."
Sechs Wochen vor der Wahl wurde er noch deutlicher: "Kann man noch mehr für die FDP machen? Die sollten 16 Prozent mindestens kriegen." Und im September, zwei Tage vor dem Wahltermin, schrieb Döpfner an den damaligen "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt: "Please Stärke die FDP. Wenn die sehr stark sind können sie in Ampel so autoritär auftreten dass die platzt. Und dann Jamaika funktioniert".
Einen Fragenkatalog zu all diesen Äußerungen Döpfners wollte Axel Springer laut "Zeit" nicht kommentieren. Zu einem Gespräch sei Döpfner nicht bereit gewesen.
Neuer Ärger droht Döpfner auch durch Julian Reichelt. Der frühere "Bild"-Chefredakteur und einstige Döpfner-Protegé wurde im Oktober 2021 aus dem Verlag geworfen, nach einem Compliance-Verfahren und Berichten über mutmaßliches Fehlverhalten gegenüber Mitarbeiterinnen. Reichelt hat diese Vorwürfe stets energisch bestritten. Anwalt Ben Irle kündigt in der Zeitung nun an, "sowohl strafrechtlich wie auch zivilrechtlich in Deutschland und den USA" Schritte gegen Axel Springer einzuleiten. Das Compliance-Verfahren habe "grundsätzliche rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze vermissen" lassen. Eine "transparente Aufklärung der Vorwürfe" gegen Reichelt sei systematisch unterblieben. Der Fall Reichelt sei "nicht annähernd abgeschlossen".
Zumindest darin sind sich beide Parteien einig. Wie der SPIEGEL zuvor berichtete, erwägt Axel Springer seinerseits, rechtlich gegen Reichelt vorzugehen. Im Verlag hält man es für möglich, dass Reichelt Dokumente und interne Informationen aus seiner Zeit als "Bild"-Chef mitgenommen oder nicht gelöscht hat und sie nun zum eigenen Vorteil nutzt. Weder Reichelt noch der Springer-Konzern wollten sich dazu gegenüber dem SPIEGEL äußern.