Einblick in Ermittlungsakten Edel-Fuhrpark und Millionen-Umsatz: Mit Hartz IV kaufte Al Zein-Clan seine Immobilien

FOCUS-Online-Reporter Axel Spilcker

Samstag, 06.11.2021, 07:15

Die Mitglieder des Al Zein-Clans aus Leverkusen muss sich vor Gericht verantworten. Trotz sprudelnder Einnahmen und teurer Luxus-Karossen bezogen die Clan-Mitglieder Hundertausende Euro an Hartz-IV. Geschickt ergattere der Clan auch wertvolle Immobilien. FOCUS Online berichtet aus den Ermittlungsakten. dpa/ facebook
Badia Al Zein (r.), und Mahmoud Al-Zein (l.), auch genannt El Presidente

Ein Brunnen im Garten stände der Villa in Leverkusen-Rheindorf sicherlich gut zu Gesicht. Interessiert hörte der Hausherr nach FOCUS-Online-Informationen bei einer Freundin nach, ob diese nicht solch einen Wasserspender aus Marokko mitbringen könne? Aus einem Versicherungsgeschäft rechnete der rheinische Boss des kurdisch libanesischen Al Zein-Clans mit 8500 Euro. Da seien auch 3500 Euro für die Freundin drin. Badia Al Zein erkundigte sich ferner, ob seine Bekannte ebenfalls Sozialhilfe bekomme? Diese verneinte. Leider habe sie schon mal eine Privatinsolvenz hingelegt.

Der Clan-Chef war da besser aufgestellt. Zwischen 2015 und Ende 2020 sollen er und seine Frau nebst Kindern mehr als 209.000 Euro Hartz-IV-Zuwendungen zu Unrecht kassiert haben. So lautet der Vorwurf von Polizei und Staatsanwaltschaft, die im Juni zu einer großangelegten Razzia schritten und die Leverkusener Hauptbeschuldigten verhafteten.

Der erstgeborene Sohn Sehmus Al Zein soll das Jobcenter Leverkusen mit seiner Familie im selben Zeitraum um gut 118.000 Euro erleichtert haben. Termine bei der Behörde zwecks Arbeitssuche schien er offenbar geschickt zu vermeiden. Den Erkenntnissen zufolge erzählte er einer Sachbearbeiterin, dass er nicht erscheinen könne, weil er unter Migräne leide. Auch prahlte er gegenüber einer Gesprächspartnerin, dass er einen Arzt kenne, der ihn arbeitsunfähig schreibe.

Indirekt finanzierte die öffentliche Hand dem betrügerischen Clan die Immobilie

Zeitweilig soll auch der drittälteste Al Zein-Spross Mohamed, genannt Hammoude, illegal staatliche Stütze erhalten habe, ehe er zum Schein einen Job angenommen hatte. Dadurch konnte er den Kauf des Leverkusener Anwesens finanzieren. Ein Teil der Kaufsumme wurde in bar aufgebracht, den Rest finanzierte Hammoude über ein Baufinanzierungsdarlehen. Offiziell vermietete er das Objekt an seine Familie. Die Miete wurde durch staatliche Sozialleistungen beglichen. Damit konnte der Sohn zu 90 Prozent die Kreditraten für den Hauskauf bedienen. Das heißt: Indirekt finanzierte die öffentliche Hand dem betrügerischen Clan den Erwerb der Immobilie.

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Dabei drehte die Großfamilie seit Jahren das große finanzielle Rad. Über Strohleute suchte der Clan laut den Strafverfolgern kriminelle Gewinne zu waschen. So soll der Erstgeborene Sehmus im Auftrag seines Vaters über einen deutsche Geschäftsmann Geld zu Wucherzinsen verliehen haben. In abgehörten Telefonaten ist von zehn bis 15 Prozent pro Monat die Rede. Wenn der Schuldner nicht pünktlich zahlte, drohte man mit Prügel. Sehmus verlangte einen Gewinnanteil an dem illegalen Kreditgeschäft von bis zu 40 Prozent.

Die Nachforschungen in dem Komplex legen nahe, dass die Al Zeins auf zahlreiche Mittelsmänner zurückgreifen konnten, um ihre dubiosen Deals durchzuziehen. Als das Familienoberhaupt sich für einen Range Rover zum Preis von 146.000 Euro interessierte, kam ein türkischer Geschäftspartner ins Spiel. Über ihn steckte die Sippe eine halbe Million Euro in die Immobilienfirma Pro Bau GmbH in Solingen. Aus anderen ominösen Quellen flossen weitere Einlagen in sechsstelliger Höhe. Das Bau-Unternehmen wiederum soll unter anderem die Ratenzahlung für das britische Luxus-Modell in Höhe von 1400 Euro übernommen haben. Die Firma bildete offenbar eine legale Fassade, um Schwarzgeld durchzuschleusen. Im Gegenzug für das Investment sollen pro Monat neun bis 10.000 Euro an die Leverkusener Al Zeins zurückgeflossen sein. Zudem übernahm die Pro Bau auch Reparaturen an der Rheindorfer Familien-Villa.

Ohnehin hegte der Al Zein-Clan einen Faible für teure Automarken

Gefüttert durch das Clan-Kapital stieg der mitbeschuldigte türkische Pro-Bau-Geschäftsführer in das Immobiliengeschäft ein. So warb die Firma mit dem Verkauf von 21 Wohnungen auf dem Gelände des Badhauses Ohligs. Auf dem ehemaligen Schwimmbadgelände sollten von September 2020 an Eigentumsquartiere im Wert von mehr als einer halben Million entstehen. Überdies wollte man an der Landwehrstraße acht Häuser errichten und ertragreich veräußern. Der Pro-Bau-Chef bat die Clanspitze das Areal vorher zu besichtigen. Vermutlich wollte sich da jemand grünes Licht geben lassen. Zugleich soll das Bau-Unternehmen per Briefgrundschuld zwei Grundstücke an den Clan abgetreten haben.

Die Geschäfte gingen so gut, dass Badia Al Zein laut Staatsanwaltschaft ein Mercedes-Cabrio für 105.000 Euro erworben haben soll. Das Auto lief zum Schein über eine Vermietungsfirma. Ohnehin hegte der Clan einen Faible für teure Automarken. Mal ging es um den Erwerb eines AMG-Mercedes, mal um den Verkauf eines Modells für 150.000 Euro. Monate später registrierten die Strafverfolger den Ankauf eines Porsche für 88.000 Euro nebst einem Ferrari für 240.000. Allerdings ist noch unklar, ob dieser Deal tatsächlich zustande kam.

Auch stiegen die Al Zeins ins Autovermietungsgeschäft ein. Wie sagte der Sohn Hammoude bei der Gründung der Firma Fix Cars so schön: Man habe 25.000 Euro eingezahlt. Für 150.000 Euro werde man Autos erwerben, und nach anderthalb Jahren seien die Fahrzeuge abbezahlt. "Das ist dann der Gewinn."

Sein Vater plauderte am belauschten Telefon im Juni 2020 offen über Einnahmen aus einem Wettbüro in der Höhe von 300 oder 400.000 Euro.

Weitere Einkünfte in Höhe von 600.000 Euro wurden aus Geschäften mit einer Gesellschaft für medizinische Artikel erwartet. Die Ermittler gehen hier dem Verdacht nach, dass über dieses Unternehmen in der Corona-Hochphase minderwertige Schutzhandschuhe im großen Stil veräußert wurden.

Fakt ist, dass sich das finanzielle Rad bei den Al Zeins aus Leverkusen immer weiterdrehte. Allein im vergangenen Jahr soll der Clan 1,5 Millionen Euro bewegt haben. Nicht schlecht für eine Familie mit acht Kindern, die offiziell einzig von staatlichen Alimenten lebte.


Quelle: focus.de vom 06.11.2021