FOCUS-Online-Reporter Göran Schattauer
Donnerstag, 01.07.2021, 11:42
"Gambische Flüchtlinge kontrollieren die Drogenszene" (Stuttgarter Nachrichten) oder "Nigerianische Banden wollen in Deutschland expandieren" (Welt) - solche Schlagzeilen sorgen immer wieder für Aufregung. Die Berichte drehen sich um ein Phänomen, das deutsche Sicherheitsbehörden seit einigen Jahren massiv umtreibt: Die Aktivitäten von Asylsuchenden im Bereich der Organisierten Kriminalität (OK).
Jetzt schlagen Experten des Bundeskriminalamts (BKA) Alarm. In ihrem gerade veröffentlichten Bundeslagebild "Kriminalität im Kontext von Zuwanderung" für 2020 widmen sie dem Thema OK ein ganzes Kapitel. Zentrale Aussage: Zuwanderer insbesondere aus Albanien, Libanon und der Türkei machen sich zunehmend in der Unterwelt der Organisierten Kriminalität breit.
Als Zuwanderer gelten dabei alle Ausländer, die mit dem Status "Asylbewerber", "Kontingentflüchtling", "Duldung" oder "unerlaubter Aufenthalt" registriert wurden.
"Sowohl die Anzahl der tatverdächtigen Zuwanderer im Bereich der OK als auch die Anzahl der durch Zuwanderer dominierten OK-Gruppierungen ist in 2020 gestiegen", stellt die Polizeibehörde fest. Insbesondere im Rauschgifthandel und -schmuggel seien die Gruppen aktiv. Das BKA warnt, dass die durch Zuwanderung begünstigten neuen Strukturen der OK "frühzeitig" erkannt und "gezielt bekämpft" werden müssten.
Lesen Sie hier: Nach Würzburger Messerangriff: BKA-Papier zeigt wahres Ausmaß der Zuwanderer-Kriminalität
Der Analyse zufolge wurden im vergangenen Jahr bundesweit rund 600 Verfahren gegen OK-Gruppierungen geführt. Dabei stieg die Zahl der tatverdächtigen Zuwanderer in diesem Bereich "deutlich" - von 505 im Jahr 2019 auf nunmehr 890. Das ist ein Anstieg um 76 Prozent.
Auch die Zahl der OK-Gruppierungen, die durch Zuwanderer dominiert wurden, schnellte in die Höhe. Zählte die Polizei im Jahr 2019 noch 45 solcher Gruppen, waren es im vergangenen Jahr 85 - ein Plus von 89 Prozent. "Dominiert" heißt, dass das kriminelle Geschehen innerhalb der jeweiligen Gruppierung maßgeblich durch Zuwanderer bestimmt wurde.
Die besorgniserregende Entwicklung ist nicht allein auf Asylsuchende zurückzuführen, die seit 2015 nach Deutschland gekommen sind, ganz im Gegenteil. In seiner Straftaten-Bilanz stellt das BKA fest, dass "knapp zwei Drittel der OK-tatverdächtigen Zuwanderer bereits vor 2015 in das Bundesgebiet eingereist waren". Allein im Bereich Drogenhandel und -schmuggel wurden 2020 bundesweit 50 OK-Verfahren geführt, bei denen die Tatverdächtigen Zuwanderer waren. Weitere Delikte: Schleusungskriminalität (14 Verfahren), Eigentums- und Wirtschaftskriminalität (jeweils fünf Verfahren) sowie Fälschungskriminalität (vier Verfahren).
Laut BKA werden insgesamt 16 OK-Gruppen - und damit fast jede fünfte - "durch albanische Zuwanderer dominiert". 14 von ihnen mischen bei Drogengeschäften mit, jeweils eine bei der Eigentumskriminalität (Einbrüche, Diebstahl) und der Schleusungskriminalität. Jeweils acht OK-Gruppen werden durch libanesische bzw. türkische Zuwanderer dominiert, sechs durch kosovarische Zuwanderer, fünf durch syrische Zuwanderer.
Dass Zuwanderer auf kriminelle Märkte drängen und versuchen, mit schmutzigen Geschäften das große Geld zu verdienen, ist nichts Neues. Bereits im "Bundeslagebild Organisierte Kriminalität" für 2019 spielte das Thema eine große Rolle. Damals stellten die 505 tatverdächtigen Zuwanderer 7,4 Prozent aller Tatverdächtigen (6848 Personen) im Bereich OK. Dieser Anteil dürfte sich im Jahr 2020 signifikant erhöht haben.
In diesem Zusammenhang warnen Experten vor einer weiteren Entwicklung. Dabei geht es um die zunehmende Verstrickung von Zuwanderern in die Clankriminalität. Bereits 2019 registrierte die Polizei in etwa einem Drittel der Verfahren gegen kriminelle arabische Clans auch Zuwanderer als Tatverdächtige. Der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, erklärte schon damals, man müsse "das Phänomen weiter sehr genau im Auge behalten".