In Dresden Mieter raus, Asylbewerber rein - doch die Stadt schweigt zu brisantem Fall

FOCUS-online-Reporter Ulf Lüdeke (Berlin)

Montag, 23.10.2023, 17:40

In Dresden hat ein Hauseigentümer Mietern mit der Begründung gekündigt, das Mehrfamilienhaus müsse wegen "fehlender angemessener wirtschaftlicher Verwertung" abgerissen werden. Doch nun lässt der Eigentümer das Haus auf Kosten der Stadt sanieren, um dort Asylbewerber unterzubringen.

privat Das Kündigungsschreiben an einen Mieter in Dresden wegen angeblicher Baufälligkeit.

Der Kündigung mehrerer Mietparteien eines Mehrfamilienhauses sorgt derzeit in Dresden für Unmut. Den Mietern des Hauses mit sechs Dreiraumwohnungen war Anfang des Jahres vom privaten Eigentümer gekündigt worden. In der schriftlichen Begründung hieß es, das Haus befinde sich in einem baulich so schlechten Zustand, dass eine "wirtschaftlich sinnvolle Verwertung" nicht mehr möglich sei. Da eine Sanierung teurer wäre als Abriss und Neubau, habe man sich für Letzteres entschieden und die Kündigung auf den 28. Februar 2023 festgesetzt.

Inzwischen wurde jedoch bekannt, dass die Berliner Immobiliengesellschaft "ImmPrima" als Eigentümer beschloss, die sechs Wohnungen in der Johannes-Brahms-Straße 34 an Asylbewerber zu vermieten. Pikant: Mieter ist die Stadt Dresden, die nun offenbar auch für die Sanierung des angeblich maroden Gebäudes aufkommen muss.

Privatsanierung auf Kosten von Mietern und Steuerzahlern?

Saniert hier ein privater Hausbesitzer auf Kosten der Steuerzahler ein baufälliges Haus, das er möglicherweise bald wieder auf dem Wohnungsmarkt anbieten kann? Möglicherweise sogar mit Wissen der Stadtverwaltung - und auf dem Rücken der ehemaligen Mieter?

Die Stadtverwaltung zeigte sich wortkarg bei der Beantwortung von Fragen, die FOCUS online ihr zusandte. So schwieg das Amt für Hochbau und Immobilienverwaltung dazu, wie hoch die Sanierungskosten des angeblich baufälligen Mehrfamilienhauses sind. Unbeantwortet blieb auch die Frage, wer für die Kosten aufkommt. Ob die Stadt Dresden davon wusste, dass allen Mietern des Gebäudes mit Verweis auf eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit gekündigt wurde und das Haus eigentlich abgerissen werden sollte, behielten die Verantwortlichen ebenfalls lieber für sich.

Dresdner Hochbauamt erteilt keine Auskunft

Ohne ein Anfangsdatum zu nennen, bestätigte das Hochbauamt Dresden lediglich, dass die sächsische Landeshauptstadt in dem Gebäude sechs Einzelmietverträge zu einem Preis von 9 Euro pro Quadratmeter abgeschlossen habe. Die Wohnungen würden "derzeit hergerichtet". Zudem sei eine "Festmietzeit" bis zum 31. Dezember 2024 vereinbart worden, die verlängert werden könne.

Mit anderen Worten: wenn der Eigentümer dies nicht will, kann er die Wohnungen, die nach der Sanierung sicher erheblich mehr Wert sein dürften als zuvor, ab dem 1. Januar 2025 zu einem vermutlich deutlich höheren Preis vermieten. Das Hochbauamt schließt seine Erklärung mit den Worten: "Zu weiteren vertraglichen Inhalten kann im gegenseitigen Vertragsinteresse keine Auskunft erteilt werden."

Ende Februar Mietern gekündigt, ab März Gespräche über Vermietung an Asylbewerber

Viel Zeit hat sich der Berliner Immobilienbesitzer jedenfalls nicht gelassen, um seine Pläne von "Abriss und Neubau" in eine Sanierung auf öffentliche Kosten für die vorübergehende Unterbringung von Asylbewerbern zu ändern. Denn die Gespräche mit der Stadt, die das Unternehmen nach Angaben des Hochbauamtes selbst gesucht hat, hätten bereits im März begonnen, erklärte eine Sprecherin von "ImmPrima" FOCUS online. Also unmittelbar im Anschluss an die Kündigung zum 28. Februar.

Laut "ImmPrima" wurde die Stadt Dresden über den ursprünglichen Plan, die Mieter zu kündigen, abzureißen und neu zu bauen, informiert. "Das Thema wurde mit den Verantwortlichen besprochen", so die Sprecherin. Und auf die Frage nach der Höhe der Sanierungskosten sagte sie: "Es finden unsererseits keine Sanierungsarbeiten statt."

Mieterverein: Kündigung wegen Baufälligkeit vor Gericht nur schwer durchsetzbar

Die Immobilienfirma hatte sich in ihrem Kündigungsschreiben auf Paragraf 573 des Bürgerlichen Gesetzbuches berufen. Demnach habe ein Vermieter ein "berechtigtes Interesse" an einer außerordentlichen Kündigung, wenn er "durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und hierdurch erhebliche Nachteile erleiden würde".

Florian Bau, Berater und Pressesprecher des Mietervereins Dresden, sagt dazu, er kenne den Fall nicht und könne deshalb nichts Konkretes dazu sagen. "Was ich aber sagen kann, ist, dass eine Kündigung wegen angeblicher Baufälligkeit unter Berufung auf den Paragrafen 573 vor Gericht in der Regel nur dann Erfolg hat, wenn der Eigentümer nachweisen kann, dass das Haus wirklich in einem erbärmlichen Zustand ist, also quasi kurz vor dem Einsturz. Und das ist in der Regel nicht der Fall. Die Gerichte entscheiden da sehr mieterfreundlich."

Seine eigene Erfahrung als Berater bei derartigen Mieterproblemen sei, dass es gerade in Dresden besonders schwierig ist, Mietern aufgrund einer angenommenen Baufälligkeit zu kündigen. "Hier kann im Prinzip jede Bruchbude vermietet werden."


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