Drei Todesopfer Was wir über die Messerattacke von Würzburg wissen

Veröffentlicht am 26.06.2021 | Lesedauer: 4 Minuten

Von Ibrahim Naber
Freier Mitarbeiter Investigation und Reportage

In der Innenstadt von Würzburg griff ein Mann mit einem Messer wahllos Passanten an. Mindestens drei Menschen kamen ums Leben, weitere Personen wurden zum Teil schwer verletzt. Es gibt bislang keine gesicherten Erkenntnisse über das Motiv des Täters.

In Würzburg hat ein 24-Jähriger mehrere Personen in der Innenstadt niedergestochen. Drei Menschen kamen ums Leben. Nun gibt es erste Informationen zum Angreifer und der Tat. Was wir bislang wissen - und welche Fragen offen sind.

Bei einem Messerangriff in der Würzburger Innenstadt sind am Freitag drei Frauen getötet worden. Weitere Personen sind verletzt, eine Person schwebt in Lebensgefahr. Sicher ist: Der Täter handelte allein. Warum er zustach, muss noch geklärt werden. WELT gibt einen Überblick über das, was wir bislang wissen.

Was ist passiert?

Gegen 17 Uhr wurde die Polizei über einen Notfall rund um den Würzburger Barbarossaplatz informiert. Videoschnipsel, die sich am frühen Freitagabend in den sozialen Netzwerken verbreiteten, geben einen Eindruck der Geschehnisse: Ein Mann, bewaffnet mit einem rund 30 Zentimeter langen Messer, läuft barfuß durch die Innenstadt.

Täter ging in die Abteilung für Haushaltswaren

In dem Obdachlosenheim haben Ermittler inzwischen Hassbotschaften gefunden. Das sagte der Leitende Kriminaldirektor Armin Kühnert. Das Material sei sichergestellt, aber noch nicht ausgewertet worden. Auch Nachrichten auf einem entdeckten Handy müssten noch untersucht werden, was wegen der dabei genutzten Fremdsprache etwas dauere.

Offenbar wahllos hatte der Mann am späten Freitagnachmittag in Würzburg Menschen angegriffen. Den Ermittlern zufolge betrat er um 17 ein Kaufhaus und ging in die Abteilung für Haushaltswaren. Dort habe er eine Verkäuferin nach den Messern gefragt und sich eines aus der Auslage genommen. Damit habe er auf eine Verkäuferin eingestochen, die vor Ort ihren Verletzungen erlag. Der Täter sei dann durch das Kaufhaus gezogen und habe zwei weitere Menschen getötet.

Der Täter, bewaffnet mit einem Messer, läuft barfuß durch die Innenstadt in Würzburg
Quelle: Screenshot

Mehrfach geht er auf Personen los, schmeißt Gegenstände nach ihnen. Vor einer Sparkasse, das zeigt ein Video, stellt sich ein Passant dem Angreifer in Kampfstellung entgegen - offenbar mit dem Ziel, ihn zu stoppen. Weitere Personen, auch Sicherheitspersonal, bauen sich vor dem Bewaffneten auf. Einer schlägt mit einem Besen nach dem Mann, andere haben Stühle in der Hand.

Was die Videos nicht zeigen: In einem benachbarten Kaufhaus hatte sich der Angreifer kurz zuvor das Tatmesser geschnappt und mit "unglaublicher Brutalität" auf Personen eingestochen. Eine Verkäuferin und zwei weitere Frauen kamen ums Leben.

Übersicht der Tatorte
Quelle: dpa/dpa-infografik GmbH

Im Anschluss gingen die Attacken auf der Straße weiter. Nach Angaben der Polizei bestand nach aktuellem Kenntnisstand "keine Vorbeziehung zwischen Täter und Opfern". Insgesamt sieben Personen wurden verletzt, sechs schwer, eine leicht. Bei einem Menschen bestand am Samstagnachmittag noch akute Lebensgefahr.

Der Täter wurde unweit des Barbarossaplatzes wenige Minuten nach dem Notruf festgenommen. Gestoppt wurde er durch einen gezielten Schuss in den Oberschenkel. Videos zeigen, wie ihm zuvor mehrere Passanten in eine Seitengasse folgen. Kurz darauf rast ein Polizeiwagen um die Ecke.

War der Angriff politisch motiviert?

Es gibt bislang keine gesicherten Erkenntnisse über das Motiv des Täters. Laut Polizeipräsident Gerhard Kallert hörte der Kaufhausdetektiv, wie der Täter "Allah u Akbar" rief. Dabei handelt es sich um einen oft verwendeten Ausspruch im Islam, der mit "Gott ist größer" oder "Gott ist der Größte" übersetzt werden kann und auch von Islamisten und Terroristen verwendet wird.

Auch gegenüber Beamten seien die Formulierungen "Allahu Akbar" und "Dschihad" gefallen, sagte Kallert am Samstag. "Alles andere müssen wir jetzt auswerten." Insbesondere die Handyauswertungen seien wichtig.

Zuvor hatte der "Spiegel" unter Berufung auf einen internen Behördenvermerk berichtet, der Täter habe nach seiner Festnahme ausgesagt, dass er mit der Tat seinen "Dschihad" verwirklicht habe. Hinweise auf Kontakte zu militanten Salafisten gibt es dem Vernehmen nach bisher jedoch nicht. Behördenvertreter wollten am Samstagnachmittag ein politisches Motiv auf Nachfrage noch nicht bestätigen.

Was ist über den Täter bekannt?

Bei dem Angreifer handelt es sich um einen 24 Jahre alten Somalier. Er soll 1997 in der somalischen Hauptstadt Mogadischu geboren worden sein. Nach WELT-Informationen ist er Anfang Mai 2015 in die Bundesrepublik eingereist. Weil er aus einem Bürgerkriegsland stammt, erhielt er den sogenannten subsidiären Schutz. Diesen erhält man, wenn im Herkunftsland ein ernster Schaden droht. Der Somalier besitzt hierzulande also einen Aufenthaltstitel, eine Abschiebung stand nicht zur Debatte.

Der Mann lebte zunächst in Sachsen, kam 2019 nach Würzburg. Dort wohnte er zuletzt in einer Obdachlosenunterkunft.

Kerzen und Blumen nahe dem Tatort in der Innenstadt am Freitagabend
Quelle: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Es wurden in den vergangenen Monaten mehrere "Verhaltensauffälligkeiten" bei ihm festgestellt. Tätliche Angriffe habe es jedoch nicht gegeben.

Im Januar sei der Mann mit Mitbewohnern und Verwaltern der Obdachlosenunterkunft, in der er wohnte, in einen Streit geraten. Er habe sie mit einem Küchenmesser bedroht, aber nicht angegriffen. Vorübergehend sei er in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen worden.

Bis März 2021 sei zudem ein Hinweis eines anderen Bewohners geprüft worden, wonach der Mann Ende 2015 oder Anfang 2016 am Telefon gesagt haben soll, dass er als Zwölfjähriger in Somalia Straftaten begangen habe. Die Prüfung sei eingestellt worden, da sich die Behauptung nicht habe verifizieren lassen.

Im Juni 2021 soll der Somalier schließlich einen Verkehrsteilnehmer in Würzburg belästigt haben. Er zeigte dabei ein "verstörtes Verhalten" und wurde erneut in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen, nach einem Tag jedoch wieder entlassen - wegen "fehlenden Behandlungbedarfs".

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Quelle: dpa/gub/mbd

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