Gastbeitrag von Tilman Kuban Die grüne Inflation: Steigende Energiekosten ziehen den Menschen das Geld aus der Tasche

FOCUS-Online-Gastautor Bundestagsabgeordneter Tilman Kuban

Freitag, 21.01.2022, 10:20

Klimaschutz ist teuer. Und trotzdem haben fast alle Parteien den Bürgerinnen und Bürgern im Wahlkampf versprochen, sie würden finanziell nicht darunter leiden. Dieses Versprechen gilt es jetzt einzulösen, findet der Vorsitzende der Jungen Union und CDU-Bundestagsabgeordnete Tilman Kuban. Er macht dafür drei Vorschläge. bjh

Zum Jahresstart ist die Inflationsrate so hoch, wie seit fast dreißig Jahren nicht mehr. Sie liegt bei 5,3 Prozent. Und was erst einmal nach Jonglieren mit Zahlen klingt, hat am Ende konkrete Folgen für jeden von uns. Für den Vier-Personen-Haushalt kostet es weitaus als 100 Euro Energiekosten pro Monat oder 80 Euro mehr für den monatlichen Supermarkteinkauf.

Durch immer höhere Teuerungsraten nehmen wir den Menschen ihre Kaufkraft, und viele stellen sich die Frage, wie sie in diesem Jahr noch ihre Rechnungen bezahlen sollen. Normalerweise müssten jetzt die Zentralbanken gegensteuern, indem sie die Zinsen anheben. Die weigern sich jedoch. Denn nach der jahrelangen Null-Zins-Politik hat kaum ein Staat der Welt ein Interesse an steigenden Zinsen.

Nicht alle Faktoren, die die Inflation befeuern, sind von der Politik direkt beeinflussbar. Dazu gehören der bekannte Material- und Rohstoffmangel, beispielsweise bei Mikrochips aus Asien. Mit deren Liefer-Engpässen haben im Welthandel viele Unternehmen zu kämpfen, wie auch den Auswirkungen der Pandemie auf die weltweite Konjunktur. Auch die nur kurzfristige Mehrwehrsteuersenkung tat ihr Übriges. Es gibt allerdings auch Dinge, auf die wir Politiker Einfluss nehmen können. Und genau da, wo wir es können, müssen wir handeln.

Steigende Energiekosten stehlen den Menschen das Geld

Die ständig steigenden Energiekosten in Deutschland sind ein immer stärkerer Preistreiber - und diese sind hausgemacht. Eine Politik, die zulässt, dass die Energiekosten binnen eines Jahres um 30 Prozent steigen, zieht den Leistungsträgern des Alltags das Geld aus der Tasche und frisst jede hart verdiente Lohnsteigerung doppelt und dreifach wieder auf. Das mag das Doppelverdiener-Paar ohne Kinder nur einen Wochenendurlaub ans Mittelmeer kosten, für die Durchschnittsfamilie geht es hier jedoch um weitaus größere Einschnitte bei der Jahresplanung.

Ohne die Preissteigerung im Energiebereich läge die Inflation mit 2,6 Prozent gerade einmal halb so hoch und wäre damit auf einem fast vertretbaren Niveau. Bis zur vollständigen Marktfähigkeit der erneuerbaren Energien in über 20 Jahren werden konstant weitere Preissteigerung kommen. Es ist deshalb genau jetzt die Aufgabe der Politik etwas zu tun und sich dieser grünen Inflation entgegenzustellen.

Im Wahlkampf haben alle Parteien versprochen, dass der Umbau zum klimaneutralen Industrieland kaum Auswirkungen auf die Lebensweise der Menschen haben werde und soziale Härten auf jeden Fall abgefedert würden. Jetzt gilt es das Versprechen, das auch im Koalitionsvertrag der Ampel wiederholt wurde, einzuhalten. Denn es steht viel auf dem Spiel: der Wohlstand unser Gesellschaft, aber auch die Glaubwürdigkeit der Politik.

Steuerentlastungspaket, angepasste Pendlerpauschalen - das brauchen wir jetzt
  1. Wer wirklich Strom- und Heizkosten für diejenigen senken will, die jeden Morgen aufstehen, ihre Kinder zur Kita oder in die Schule bringen und arbeiten gehen, der muss jetzt die Stromsteuer senken. Denn nur die EEG-Umlage zu senken oder nächstes Jahr, wie geplant, abzuschaffen reicht vorne und hinten nicht. Die aktuelle Preiserhöhung bei den Energiebeschaffungen übersteigt bereits die Einsparungen beim Wegfall der EEG-Umlage. Die Heizkostenpauschale für Wohngeldbezieher zu erhöhen wird nur einem kleinen Teil der Bevölkerung helfen. Es braucht vielmehr das große Steuerentlastungspaket.
  2. Auch an der Zapfsäule machen sich steigende Kosten bemerkbar. Der Blick der Bundesregierung muss hier weiter reichen als vom Biomarkt zur nächsten U-Bahnhaltestelle in den Innenstädten. Denn gerade im ländlichen Raum sind Millionen Berufspendler auf die tägliche Autofahrt zum Arbeitsplatz angewiesen. Für sie müssen wir die Pendlerpauschale an die Spritpreise koppeln. Denn nur so bilden sie die Realität auch wirklich ab. Gleichzeitig gilt es eine moderate Senkung der Mineralölsteuer zu diskutieren, denn abseits der Großstädte kann man nicht auf ein gut ausgebautes Bus- und Bahnnetz zurückgreifen und kommt ohne Auto nicht weit. Das betrifft nicht nur den Weg zur Arbeit, sondern auch den gesamten Alltag, den Einkauf oder den Besuch der Eltern oder Großeltern.
  3. Viele deutsche Unternehmen stehen im internationalen Wettbewerb und sind einem erheblichen Preisdruck ausgesetzt. Wollen wir die Arbeitsplätze im deutschen Mittelstand erhalten, dann müssen wir von einer reinen Preisbindung zu einer Preis-Mengen-Kombination mit konkreten Preisober- und -untergrenzen zu kommen. Denn mit einem solchen Modell wälzen wir nicht alle Unsicherheiten auf die Unternehmen und ihre Mitarbeiter ab, sondern schaffen durch eine Mengensteuerung ein wirksameres Instrument zur echten Verringerung des CO2-Ausstosses.

Fazit: Die Politik, auch meine Partei, die CDU, wollte diesen erheblichen Anstieg der Energiekosten viel zu lange nicht wahrhaben. Doch der Blick nach hinten bringt uns jetzt nicht weiter. Es gilt, wie in der Pandemie, schnell zu reagieren, zu handeln, den Betroffenen zu helfen und dafür die grüne Inflation einzudämmen.

Über den Autor
Tilman Kuban ist seit 2005 Mitglied in der Jungen Union (JU) und damit auch in der CDU. 2014 übernahm Kuban den Landesvorsitz der JU in Niedersachsen. Im März 2019 wählten die Mitglieder den Überraschungskandidaten zum Bundesvorsitzenden der Jungen Union. Seit 2021 ist Kuban außerdem Mitglied im Deutschen Bundestag.


Quelle: focus.de