FOCUS-Online-Reporter Göran Schattauer
Montag, 04.11.2019,
Er ist wieder da.
Ibrahim Miri, einer der gefährlichsten Clan-Bosse Deutschlands, kehrte vergangene Woche in seine Wahlheimat Bremen zurück. Gerade mal vier Monate ist es her, dass ihn schwer bewaffnete Polizisten mit großem Aufwand in sein Herkunftsland Libanon abgeschoben haben.
Jetzt reiste der wegen Rauschgifthandels, Erpressung und Entführung verurteilte Straftäter illegal nach Deutschland ein und beantragte Asyl.
Miris Rückkehr ist eine Bankrotterklärung für unseren Rechtsstaat und eine Gefahr die innere Sicherheit. Eine größere Gefahr als viele glauben.
Wenn ein Mann seines Kalibers problemlos nach Deutschland kommen kann, dann kann es jeder, auch ein zu blutigen Anschlägen entschlossener Terrorist. Vier Jahre nach Merkels Entscheidung, die Grenzkontrollen für Flüchtlinge außer Kraft zu setzen, drängt sich die Frage auf: Wie gut schützen wir eigentlich unser Land? Die Antwort liegt auf der Hand.
Bei Miri kommt hinzu: Der Mann weiß Hunderte, vielleicht Tausende Clan-Mitglieder und Anhänger hinter sich. Menschen, die seit Jahrzehnten die Vorteile unseres Staates ausnutzen, ihn im Kern aber verachten und sogar bekämpfen.
Jetzt haben sie einen weiteren Grund, Deutschland als Paradies zu begreifen. Ein Land, in das man selbst nach einem Rauswurf wieder locker hereinspazieren kann. Wo sonst auf der Welt herrschen solche Zustände?
Für die Polizei bedeutet der Fall Miri ein beispielloses Desaster. Die Strafverfolger, die alles riskiert haben, um den notorischen Störenfried dauerhaft außer Landes zu bringen, stehen nun da wie die Deppen der Nation, blamiert bis auf die Knochen und tief frustriert. Wie so oft, wenn es um gescheiterte Ausweisungen geht.
Ich habe in letzter Zeit mit vielen Polizisten gesprochen und dabei gespürt, wie enttäuscht und desillusioniert sie sind. "Wir haben die Schnauze gestrichen voll", sagte ein Kriminalbeamter, der oft mit Straftätern zu tun hat, die längst nicht mehr in Deutschland sein dürften, es aber immer noch sind. Und warum? Weil die bestehenden Gesetze es zulassen. Und weil die verantwortlichen Politiker kein Interesse zeigen, etwas daran zu ändern.
Die Gerichte in Deutschland können nur Urteile fällen, die mit den Gesetzen in Einklang stehen. Sie müssen damit arbeiten, was ihnen der Gesetzgeber vorgibt.
Dass diese Vorgaben mitunter an der Lebenswirklichkeit vorbeigehen, hat einer der höchsten Richter der Republik vor kurzem im Interview mit FOCUS Online offen kritisiert. Klaus Rennert, der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, erklärte, bei Asylverfahren sei die Justiz "eine Art Reparaturbetrieb der Politik". Auf Deutsch: Die Gerichte müssen Fehler und Versäumnisse der Bundesregierung ausbügeln.
CDU und SPD stehen nicht nur deshalb so schlecht da, weil sie innerlich zerstritten sind oder weil sie in inhaltlichen Fragen nicht übereinstimmen. Sie verlieren auch deshalb immer weiter an Akzeptanz, weil große Teile der Bevölkerung nach wie vor unzufrieden sind mit dem Flüchtlings- und Asylkurs der Regierung.
Diesen Zusammenhang anzuerkennen, fällt vielen Politikern bis heute schwer. Dabei ist völlig klar: Fälle wie der von Ibrahim Miri lassen bei den Bürgern das nachvollziehbare Gefühl aufkommen, dass etwas nicht stimmt im Rechtsstaat Deutschland.
Ein Gefühl, von dem in erster Linie eine Partei profitiert: die AfD. Für sie sind die Fehler der etablierten Parteien beim Umgang mit Clan-Kriminellen und straffällig gewordenen Flüchtlingen ein gefundenes Fressen. Gäbe es diese Themen nicht, hätte es die AfD deutlich schwerer.
Natürlich können sich die politischen Entscheider auch im Fall Miri wieder hinstellen und behaupten, der Staat habe alles in seiner Macht Stehende getan und sämtliche rechtliche Möglichkeiten ausgeschöpft. Dann allerdings sollten sie sich ernsthaft fragen, ob die Gesetze, die sie einst beschlossen haben, ausreichen.
Ich meine, sie reichen nicht aus.
Ein funktionierender Rechtsstaat muss in der Lage sein, Schwerkriminelle wie Ibrahim Miri schnell und dauerhaft abzuschieben. Im Interesse der Sicherheit. Zum Schutz der Bürger. Kann er das nicht, verspielt er das in ihn gesetzte Vertrauen - und schwächt die Demokratie.
Wenn Union und SPD noch einen Hauch von Gespür für die Stimmung im Land haben und nicht schon bald die nächsten Wahl-Debakel erleben wollen, dann müssen sie endlich eine ehrliche Debatte über dieses Thema führen - und umgehend handeln.