Berater-Papst nach BASF-Kürzungs-Hammer "Die Politik der Grünen überfordert den Standort Deutschland"

Roland Berger (85) kritisiert die Industriepolitik der Grünen
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Von: PETER TIEDE
24.02.2023 - 17:07 Uhr

Er ist Deutschlands Berater-Papst, hat die großen Konzerne und über Jahrzehnte Regierungen beraten:

Unternehmensberater Roland Berger (85). BILD sprach mit ihm über Hiobsbotschaften aus der deutschen Wirtschaft, Überregulierung in der Politik - und die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland.

"Von der Marktwirtschaft in eine staatliche Planwirtschaft"

BILD: Herr Berger, immer neue Hiobsbotschaften aus der deutschen Wirtschaft. Jetzt schlägt BASF Alarm: Der Standort Deutschland sei vor allem in Energiefragen zu teuer und politisch überreguliert. Wankt der deutsche Wirtschaftsriese?

Roland Berger: "Ich sehe seit Jahren mit großer Sorge eine starke Tendenz in der Politik, unser Land von der Marktwirtschaft in eine staatliche Planwirtschaft zu verwandeln. Das begann schon vor der Pandemie, hat sich da aber enorm beschleunigt.

Das Land ist in allen Bereichen komplett überreguliert - besonders aber die Wirtschaft. Der Staat wird mit seinen Vorschriften und Regularien zum Hemmnis für die Wirtschaft, nicht zu ihrem Förderer."

Dem BASF-Werk in Ludwigshafen droht ein massiver Stellenabbau
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Wer steuert da in die falsche Richtung?

Berger: "Es gibt zwei große Hauptregulierer: In Berlin sind es vor allem die Grünen, die aus einer ideologischen Geisteshaltung heraus tief in Gesellschaft und Wirtschaft hineinregieren wollen. Auch die SPD macht leider munter mit. Und dann sitzt in Brüssel die EU, die sich in alle Belange einmischt.

Beide zusammen schaffen Regeln, die sich teilweise sogar noch überlagern. Da sind freies Wirtschaften, freies Unternehmertum und Innovation kaum noch möglich. Die Firmen werden nahezu erdrückt - was da vor sich geht, ist gigantisch. Und gefährlich."

Die Grünen argumentieren mit einem notwendigen Umbau der Wirtschaft auf grüne Energien und Umwelttechnologien …

Berger: "Das ist ja richtig, aber praktisch so nicht machbar. Man kann nicht das, was in 15 Jahren nicht langsam begonnen worden ist, dann binnen drei Jahren einfach übers Knie brechen. Wir können nicht täglich sieben neue Windkraftanlagen aufstellen. Die Politik der Grünen überfordert und gefährdet den Standort Deutschland.

Ja, wir brauchen den Klimaschutz und die Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft zur Klimaneutralität. Und am Ende dieses Prozesses werden wir hoffentlich Weltmarktführer für diese neuen Technologien sein. Aber wir können die Wirtschaft und auch hunderttausende Arbeitnehmer nicht überfordern."

Die Wirtschaft klagt über hohe Energiepreise. Die liegen nur zum Teil in Staatshand. Aber sollte Deutschland die Steuern auf Energie senken?

Berger: "Wir brauchen dringend Steuereinnahmen: Unser Bildungssystem ist 50 Jahre alt und international nicht konkurrenzfähig. Unsere Infrastruktur ist marode, Brücken stürzen ein - das ist doch unwürdig. Schauen Sie sich die Deutsche Bahn an - auch da herrschen unhaltbare Zustände für ein Land wie Deutschland. Da muss auch der Staat ran.

Was wir uns aber nicht leisten können als Wirtschafts- und Exportnation, sind Steuern, die der Wirtschaft schaden. Die dafür sorgen, dass Innovation und internationale Wettbewerbsfähigkeit leiden, dass am Ende Arbeitsplätze bei uns vernichtet werden, weil etwa Energie für Unternehmen so verteuert wird, dass sich Produktion und Investitionen hier nicht mehr lohnen."

Sehen wir energieintensiven Konzernen wie nun BASF in Ludwigshafen eine Transformation zu neuen Strukturen, Produktionsweisen und Produkten - oder den Niedergang eines Wirtschaftswunder-Giganten?

Berger: "Das ist hoffentlich ein Umbruch, der gelingt und nicht im Niedergang enden darf. Das liegt - nicht nur - auch an der Politik in Berlin und Brüssel. Wir haben die höchsten Energiepreise weltweit für die Wirtschaft. Dass wir überhaupt noch energieintensive Produktionen für Chemie, Glas oder Kupfer im Land haben, liegt vor allem daran, dass die Unternehmen gut geführt worden sind und international diversifiziert haben.

Aber das ist nicht mehr haltbar bei dem ideologischen Druck aus der Politik. Der Wandel der Wirtschaft braucht Zeit und unternehmerische Freiheit."

Der Staat schreibt zunehmend nicht mehr Ziele etwa bei Umweltwerten vor, sondern auch die Technologie, die eingesetzt werden soll. Kernkraft wird abgeschafft, der Verbrenner ebenso - dafür werden E-Autos vorgeschrieben, einseitig bevorzugt...

Berger: "Das ist eines der Hauptprobleme: Der Staat verhindert Innovation. Es ist sein Recht und seine Aufgabe, Richtungsentscheidungen zu treffen und Zielwerte vorzugeben. Aber wie diese Ziele erreicht werden, welche Technik genutzt wird, das ist Sache von Forschern, Ingenieuren und Unternehmen. So entsteht Innovation.

Was wir erleben, ist das Verhindern. Woher will der Staat denn wissen, dass das Fahren mit batteriebetriebenen Elektroautos in Zukunft der richtige Weg ist, dass sich andere Techniken nicht besser entwickeln? Das kann er nicht, aber er maßt es sich derzeit an. So machen wir den Forschungs- und den Wirtschaftsstandort kaputt! Der Staat hat sich da nicht einzumischen."

Klingt nicht nach dem Vater des Wirtschaftswunders, Ludwig Erhard …

Berger: "Nein, mit dem darf man ja fast nicht mehr kommen bei dieser ideologischen Geisteshaltung in der Politik. Dabei muss man sich doch einfach mal fragen, warum die Bundesrepublik 1990 so viel besser dastand als die DDR? Da standen freie soziale Marktwirtschaft gegen Planwirtschaft. Die Planwirtschaft führte in den Untergang, die Marktwirtschaft an die Weltspitze."

In Energiefragen gibt der Staat seit Merkels Energiewende die Technologien vor - Atomkraft wurde verbannt aus Deutschland, die Forschung ist auch fast tot in dem Bereich. Müssen wir angesichts der Energiepreise nicht doch wieder über Atommeiler reden?

Berger: "Natürlich. Wir haben in diesem Bereich wie beim Thema Fracking eine absolute Hysterie in Deutschland. Wir müssen über Kernkraft reden, denn es geht nicht ohne. Wie soll denn eine europäische Energiepolitik funktionieren, wenn wir in Sachen Atom wieder nur unseren deutschen Sonderweg gehen? Kernkraft ist Co2-frei und umweltfreundlich."

Sie sprachen Fracking an, das Fördern von Gas mit einer umstrittenen Technologie ...

Berger: "Da herrscht Hysterie. Die Technik ist derart viel weiter als unsere 30 Jahre alten Gesetze dagegen. Und die deutsche Doppelmoral auch in diesem Fall: Wir kaufen Fracking-Gas aus anderen Saaten, die nicht unsere Umweltstandards haben, verbieten es aber bei uns? Wir importieren massenhaft Flüssiggas zu hohen Preisen aus Staaten, die unsere Menschenrechts- und Umweltstandards nicht teilen, weigern uns aber aus ideologischen Gründen, unsere eigenen Ressourcen zu nutzen? Das ist verlogen.

Das Gleiche ist vor Jahren bei der grünen Gentechnik und bei der Biochemie passiert. Wir haben vor 30 Jahren heute noch gültige Gesetze erlassen, die mit dem Stand der Forschung heute nichts mehr zu tun haben.

Das Ergebnis: Die Forschung und die Industrie in diesen Bereichen sind aus Deutschland abgewandert. Macht die Politik so weiter, wird das auch in anderen Bereichen von Industrie und Forschung passieren. Die Rechnung für die Gefährdung der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit unserer Industrie durch diese Politik zahlen am Ende die Arbeitnehmer durch den Verlust ihrer Arbeitsplätze."


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