Die Inflation der Impfungen gegen Corona

Stand: 07.08.2022 | Lesedauer: 4 Minuten

Von Harald Martenstein
Kolumnist und Autor

Um am sozialen Leben in Deutschland wie einst im Mai teilzunehmen, sollte man sich alle drei Monate impfen lassen, darauf läuft es letztlich hinaus. Oder man lässt sich einen Zugang legen, eine Kanüle mit einem Schlauch, aus dem ununterbrochen Impfstoff in den Körper fließt.

Als sie am Mittwoch die neuen Maßnahmen verkündet haben, sind mir wieder mal meine Großeltern eingefallen. Die erzählten oft von der Inflation. Es war eine Inflation, die um einiges krasser war als die Inflation von heute. Nun, die Inflation von heute fängt gerade erst an. Von einem Tag auf den anderen war das Geld nichts mehr wert.

WELT-Autor Harald Martenstein
Quelle: Matthias Schardt/kombinatrotweiss

Bei mir sind jetzt von einem Tag auf den anderen meine drei Coronaimpfungen plus einmaliges Infiziertsein nichts mehr wert. Ab dem 1. Oktober bin ich wieder offiziell ungeimpft und ungenesen. Am 30. September bin ich noch geimpft. Das haben sie beschlossen, einfach so.

Um am sozialen Leben in Deutschland wie einst im Mai teilzunehmen, sollte man sich alle drei Monate impfen lassen, darauf läuft es letztlich hinaus. Oder man lässt sich einen Zugang legen, eine Kanüle mit einem Schlauch, aus dem ununterbrochen Impfstoff in den Körper fließt, aus einer Plastikflasche, die unter den Achseln oder zwischen den Pobacken befestigt ist. Ich denke, das werden sie akzeptieren.

Ich kann auch ins Ausland fahren, in den meisten Nachbarländern bin ich wieder geimpft und frei wie ein Vöglein, Stand heute. Im Ausland brauche ich keine Kanüle. Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten, Stand heute.

Ein Mann hat im Netz geschrieben, dass er sich vor zwei Monaten zum vierten Mal hat impfen lassen, und zwar deshalb, weil Karl Lauterbach ihm das geraten hat, im Fernsehen. Jetzt gilt er ab Oktober als ungeimpft, mit vier Impfungen! Das ist Pech. Man kann im Leben nicht immer nur Glück haben.

Warum tun die das?

Das Verrückte ist, dass alle Ärzte, die ich kenne, eine vierte, siebte oder neunte Impfung für entweder nutzlos halten oder für schädlich oder für Irrsinn. Inzwischen ist ja klar, dass die Impfung weder vor Ansteckung sicher schützt noch vorm Anstecken, nur vor schweren Verläufen. Schwere Verläufe sind bei Omikron zum Glück selten. Die Nebenwirkungen der Impfung aber können vereinzelt recht heftig sein, also, sofern man den Tod für etwas Heftiges hält und nicht für Freund Hein, der einen für alle Zeit von der deutschen Regierung erlöst. Wenn man aber zu Beginn dieses ganzen Schlamassels andeutete, dass die Impfung die eine oder andere Nebenwirkung haben könnte, dann wurde einem sinngemäß gesagt: "Du bist der schlimmste Hetzer seit Joseph Goebbels".

Warum tun die das? Warum machen sie das mit uns? Ich glaube, medizinische Gründe liegen nicht vor, es geht eher darum, ein Zeichen zu setzen. Alle, die sich zum fünften oder elften Mal impfen lassen, setzen damit ein Zeichen im Kampf gegen Rechts. Die Maßnahmen und der Instrumentenkasten sollen ja auf Dauer gestellt werden, wie die Winterreifenpflicht, ein ganzes Leben lang sollen wir uns im Winter impfen lassen, erst im Oktober, dann im Januar, und zwar deshalb, damit der braune Ungeist niemals wiederkehrt. Das ist doch wirklich nicht zu viel verlangt.

Wie real diese Gefahr ist, merkt man daran, dass Länder wie Großbritannien, Spanien oder Dänemark die Pandemie einfach für beendet erklärt haben, restlos. Aus, Schluss, finito. Dort ist die Saat des Faschismus aufgegangen. Aber falls das Virus so gefährlich ist, wie Karl Lauterbach sagt, werden die Dänen zur Strafe aussterben, es sei denn, wir werfen aus unseren letzten flugfähigem Bundeswehrflugzeugen Instrumentenkästen über Dänemark ab.

Ich versuche immer, das Positive zu sehen. Vieles wird übertrieben. Neulich hat mir tatsächlich jemand erzählt, in Baden-Württemberg habe Winfried Kretschmann laut über eine Zwangssterilisierung von Ungeimpften nachgedacht. Auf diese Weise könne der Sumpf ausgetrocknet werden. Aber das waren natürlich Fake News. Ganz kurz kam es mir plausibel vor, Rentenkürzungen und die Streichung des Arbeitslosengeldes für Ungeimpfte sind immerhin tatsächlich im Gespräch gewesen.

Was aber meiner Ansicht nach sicher passieren wird: Im Herbst werden die Regierung und ihre NGOs wieder sehr genau darauf achten, wer demonstriert und weshalb. Demos für Buntheit und Vielfalt, okay. Aber Menschen, die gegen den Instrumentenkasten ihres Staates auf die Straße gehen, wollen wir in einem freien Deutschland nie wieder sehen.


Quelle: welt.de