Katja Hoyer: "Die Dresdner Rezeptionistin riet mir davon ab, nachts allein zum Bahnhof zu laufen"

Katja Hoyer

06.09.2025 , 16:53 Uhr

Deutsche Politiker verweigern Debatten über den Zusammenhang zwischen Migration und Kriminalität. Das schadet der Demokratie, findet Katja Hoyer. Ein Kommentar.

Schriftstellerin und Autorin, Katja Hoyer.
Archiv Hoyer

Dresden wirkt aufgewühlt in diesen Tagen. Ich bin eigentlich wegen geschichtlicher Recherchen in der sächsischen Hauptstadt unterwegs, aber viele Dresdner treiben eher die großen Themen der Gegenwart um, vor allem die Messerattacke in einer Straßenbahn Ende August, bei der ein Amerikaner eine tiefe Schnittwunde im Gesicht erlitt, als er Mitfahrerinnen beschützen wollte, die von zwei Männern belästigt wurden. Beide Tatverdächtige sind Syrer. Über solche Zusammenhänge zwischen Migration und Sicherheit wollen in Dresden schon länger viele Menschen reden.

Der Angriff in der Straßenbahn, der als Nachricht um die Welt ging, weil diesmal ein Tourist betroffen war, ist nur einer von vielen Vorfällen. Laut Polizeistatistik gab es in der Stadt in den letzten fünf Jahren 1149 Messerangriffe. Es dauerte nur ein paar Tage, da stand Dresden schon wieder in der Presse mit einem blutigen Messerstreit zwischen einem Syrer und einem Tunesier in der Nähe des Bahnhofs.

Dresdner meiden Brennpunkte, die früher keine waren

In regelmäßigen kommunalen Bürgerumfragen stellt die Stadt fest: "Das Sicherheitsgefühl in Dresden allgemein ging in den letzten Jahren immer weiter zurück". Als Gründe wurden dabei am häufigsten "Kriminalität, Drogen" genannt (52%), gefolgt von der "sozialen Struktur der Bewohner, Passanten" (47%) und "Ausländer" (30%), wobei Mehrfachnennungen möglich waren.

Spricht man mit Dresdnern, erzählen sie, dass sie Brennpunkte meiden, die früher keine waren, und dass sie ihre Kinder ungern allein aus dem Haus schicken. Vor ziemlich genau einem Jahr war ich ebenfalls in Dresden und berichtete in der Berliner Zeitung, was mir dort eine Friseurin erzählte, nämlich dass "ihr Dresden" unsicher geworden sei, so sehr, dass sie ihren 17-jährigen Sohn nicht mehr alleine abends mit der Straßenbahn fahren ließe. Im Hotel mitten in der Altstadt riet mir die Rezeptionistin dringend davon ab, allein im Dunkeln zum Bahnhof zu laufen und schon gar nicht durch die Prager Straße. Das sei gefährlich geworden durch die Migration.

Ich bekam viel Kritik dafür, diese Meinungen in der Öffentlichkeit wiederzugeben. Solche Geschichten würden "rechte Narrative" verbreiten. Ohnehin gäbe es keinen Zusammenhang zwischen Sicherheitsgefährdung und Einwanderung, wie auch Anfang des Jahres eine Studie des Ifo-Instituts behauptete: "(Flucht-) Migration hat keinen systematischen Einfluss auf die Kriminalität im Aufnahmeland."

Polizeistatistik: Sechsmal so viele Sexualdelikte

Viele Menschen sehen allerdings vor Ort etwas anderes und werden durch die Polizeistatistik bestätigt. Allein in Dresden wurden letztes Jahr 95 schwere Sexualdelikte erfasst, mehr als sechsmal so viel wie noch 2016. Knapp die Hälfte der Tatverdächtigen hatte keinen deutschen Pass.

Bei Messerangriffen und Raubüberfällen bildeten ausländische Täter sogar eine Mehrheit. Auch bei Mord und Totschlag sind sie überrepräsentiert. Das sind alles Offizialdelikte, also Straftaten, die automatisch vom Staat verfolgt werden. Das oft genannte Argument, Ausländer würden häufiger angezeigt, kann die Zahlen also nicht allein erklären.

Warum fällt es dann Politikern und Medien so schwer, über diese Zusammenhänge zu sprechen? Das auswärtige Amt warnt schließlich Deutsche, die nach Syrien reisen wollen, dass Frauen dort "einem erhöhten Risiko von Übergriffen ausgesetzt" und aus allen Landesteilen "Fälle sexualisierter Gewalt dokumentiert" seien. Für den Irak warnt es, dass Terrorismus noch immer ein Problem sei und außerdem "ein hohes Maß an krimineller Gewalt" bestünde. "Die gesellschaftliche Akzeptanz und Toleranz gegenüber LGBTIQ-Personen" seien "grundsätzlich gering". Es käme "regelmäßig zu gewalttätigen Übergriffen". Afghanistan sei durch "ein hohes Maß an Alltagskriminalität und organisierter Kriminalität in den Städten" geprägt. In Tunesien sollten sich deutsche Frauen "zurückhaltend verhalten und gesundes Misstrauen zeigen."

Man weiß also, dass Gewaltbereitschaft, Kriminalität, Terrorismus, Frauen- und Schwulenfeindlichkeit in den Herkunftsländern vieler Migranten eine Rolle spielen und verschließt dennoch die Augen vor der Möglichkeit, dass sie solche Probleme möglicherweise nach Deutschland mitbringen könnten.

In Köln geht die Realitätsverweigerung so weit, dass sich alle Parteien außer der AfD darauf geeinigt haben, im Kommunalwahlkampf "Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge nicht für negative gesellschaftliche Entwicklungen wie die Arbeitslosigkeit oder die Gefährdung der inneren Sicherheit verantwortlich zu machen", wie es wörtlich in der sogenannten "Fairness-Vereinbarung" heißt.

Selbstzensur des politischen Mainstreams

Diese Selbstzensur des politischen Mainstreams zeugt gerade in Köln von einer unglaublichen Kaltschnäuzigkeit. Dort wurden in der Silvesternacht 2015 laut Bundeskriminalamt mehr als 1200 Frauen Opfer von Sexualdelikten, wobei rund die Hälfte der Tatverdächtigen erst seit weniger als einem Jahr in Deutschland gewesen war. BKA-Präsident Holger Münch konstatierte damals: "Insofern gibt es schon einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten des Phänomens und der starken Zuwanderung." Zehn Jahre später verweigern alle Parteien außer der AfD in Köln den Dialog darüber. Letztere dürfte nun zweistellige Werte erreichen, während es bei den letzten Kommunalwahlen 2020 nur für fünf Prozent reichte.

Auch in Dresden meidet man politisch das Thema Migration. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sprach nach dem Messerangriff in der Straßenbahn von einem "bitteren Vorfall", der aufgeklärt werden müsse. Der Dresdner Polizeisprecher Thomas Geithner gab zu: "Gewalt im öffentlichen Raum ist seit Jahren unser Kernthema", aber außer verschärften Kontrollmechanismen fällt ihm und den Behörden wenig ein. CDU-Stadtrat Hans-Joachim Brauns wünscht sich Alkoholverbote, bessere Straßenbeleuchtung und mehr Kameras, obwohl Kretschmer eingesteht, "dass Videoüberwachung keine derartigen Straftaten verhindern kann".

Für viele Dresdner, wie für viele Menschen überall in Deutschland, dürften die Debatten um Kameras und Straßenlaternen am Thema vorbeigehen. Das Verweigern der Diskussion über Migration als einer Ursache für erhöhte Gewaltkriminalität ist nicht nur schädlich für die Demokratie, sondern auch ein Schlag ins Gesicht der Opfer. Dabei sind Migranten in diesem Bereich überrepräsentiert, wie man auch im Januar dieses Jahres in Aschaffenburg sehen konnte, als ein marokkanischer Junge von einem Afghanen erstochen wurde. In Dresden beschwichtigt der Polizeisprecher, dass es "im Grunde keine Angriffe auf Unbeteiligte" gäbe: "Kinder, Familien, die tagsüber in der Stadt unterwegs sind, müssen sich keine Sorgen machen." Aber auch Wegschauen ist eine Form von Debattenverdrängung.

Wie im Märchen "Des Kaisers neue Kleider" soll das Volk der bisherigen Migrationspolitik applaudieren, auch wenn es täglich etwas anderes sieht. Aber kein Fairness-Abkommen kann Gespräche, Gedanken und Sorgen zum Schweigen bringen. Irgendwann rufen immer mehr Menschen: "Der Kaiser ist ja nackt!"


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