Von Ricarda Breyton - Politikredakteurin
Stand: 00:21 Uhr | Lesedauer: 3 Minuten
Deutschland nimmt mit Abstand die meisten Migranten auf, die im Rahmen der EU-Türkei-Erklärung direkt aus türkischen Flüchtlingslagern nach Europa gebracht werden. Nach Zahlen der EU-Kommission kamen
Demnach nahmen die
Die EU-Türkei-Erklärung wurde im März 2016 geschlossen, um illegale Migration zurückzudrängen. Sie sieht vor, dass EU-Staaten auf freiwilliger Basis Migranten direkt aus türkischen Flüchtlingslagern aufnehmen. Im Gegenzug verpflichtete sich die Türkei dazu, Menschen zurückzunehmen, die illegal zu den griechischen Inseln übersetzen. Die Vereinbarung stand wiederholt in der Kritik, etwa weil deutlich weniger Menschen in die Türkei zurückkehren als nach Europa geholt werden - aber auch weil die Lasten in der EU so ungleich verteilt sind.
"Die Entscheidung über die Aufnahmen nach der EU-Türkei-Erklärung trifft jeder Mitgliedstaat eigenständig", teilte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums auf Anfrage mit. Aus Sicht der Bundesregierung sei die EU-Türkei-Erklärung "weiterhin ein notwendiges und wichtiges Instrument der Migrationskooperation zwischen der EU und der Türkei". Die Türkei habe seit 2011 rund 3,7 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen und versorgt - auch mit Unterstützung der EU. Die Vereinbarung habe dazu beigetragen, "dass die Zahl unerlaubter Grenzübertritte insbesondere an der Seegrenze stark zurückgegangen" sei.
Nach Ansicht der FDP-Fraktion ist diese ungleiche Lastenverteilung bei der Flüchtlingsaufnahme allerdings nicht tragbar. "Es kann nicht sein, dass alle Staaten von dem Rahmenabkommen mit der Türkei profitieren, aber nur ein Teil hierzu einen Beitrag leistet", sagte der Außenpolitiker Ulrich Lechte, Vorsitzender des Bundestagsunterausschusses Vereinte Nationen, internationale Organisationen und Globalisierung. Deutschland müsse im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft "endlich einen Vorschlag unterbreiten", um den "gordischen Knoten" zu zerschlagen. "Das Verständnis der Koalition der Willigen gegenüber den Trittbrettfahrern innerhalb der EU schwindet zusehends."
In der Tat strebt die Bundesregierung im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft an, die Migrationsfrage neu zu klären. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat es sich zum Ziel gesetzt, das gemeinsame europäische Asylsystem zu reformieren. Dazu gehören Fragen des Grenzmanagements, der Aufnahme von Migranten und der Rückführung abgelehnter Asylbewerber.
Auch Resettlement, also die Neuansiedlung von besonders schutzbedürftigen und bereits anerkannten Flüchtlingen aus Krisengebieten, sei Teil der Reformbemühungen, heißt es in der Antwort der Bundesregierung an die FDP-Fraktion. Aktuell stellt Deutschland 5500 Resettlement-Plätze in diesem Jahr zur Verfügung. Die Migranten, die im Rahmen des EU-Türkei-Deals umgesiedelt werden sollen, gehören dazu.
In anderen EU-Staaten ist die Aufnahmebereitschaft auch für diese Gruppe von Migranten allerdings ebenfalls deutlich weniger stark ausgeprägt. Osteuropäische Staaten wie Polen halten sich zugute, bereits Migranten aus der Ukraine aufgenommen zu haben. Die Mittelmeeranrainer sind bereits vielfach mit der Aufnahme von Bootsmigranten überlastet.
FDP-Politiker Lechte schlägt vor, "unterschiedliche Beteiligungsmöglichkeiten" zu berücksichtigen. Deutschland müsse hierfür einen Vorschlag unterbreiten. "Einen Deal ohne Beteiligung aller EU-Staaten beispielsweise durch Aufnahme von Flüchtlingen, Grenzschutz der EU-Außengrenzen oder einem finanziellen Beitrag wird es nicht geben."
Quelle: welt.de vom 09.07.2020