Berlin, 06.12.2022, 18.01 Uhr
Alexander Kissler ist politischer Redaktor der NZZ in Deutschland.
NZZ
Bernd Weißbrod / DPA
Das baden-württembergische Örtchen Illerkirchberg bei Ulm gelangte an diesem Montag zur traurigen Berühmtheit. In den Morgenstunden wurde dort ein 14-jähriges Mädchen, eine Alevitin, getötet, ein anderes schwer verletzt. Dringend tatverdächtig ist ein Asylbewerber aus Eritrea. Er wurde in der kommunalen Flüchtlingsunterkunft festgenommen.
Am Tag danach herrschen Entsetzen und Trauer, Betroffenheit und Empörung. Diese Reaktionsweisen sind menschlich verständlich. Die Politik sollte sich jedoch nicht vor einer unangenehmen Einsicht drücken:
Illerkirchberg ist weder ein Einzelfall, noch darf die Gewalttat für ausländerfeindliche Ressentiments missbraucht werden.
Im Koalitionsvertrag heisst es: "Uns verbindet das Verständnis von Deutschland als vielfältige Einwanderungsgesellschaft." Asyl- und Schutzsuchende sollen schneller integriert werden. Auf dieser programmatischen Linie liegen das beschlossene "Chancen-Aufenthaltsrecht" und die geplante beschleunigte Einbürgerung.
Wenn dann in Illerkirchberg einem Eritreer oder in Ludwigshafen einem Somalier Tötungsdelikte vorgeworfen werden, wenn in Frankfurt am Main ein Eritreer ein Kind und dessen Mutter vor den Zug stösst oder in Kandel ein Afghane ein Mädchen ersticht, sind Warnungen vor Vorverurteilungen schneller zur Hand als Realismus und Selbstkritik. Ja, es gibt aggressiven Fremdenhass, und er ist immer verwerflich. Ja, es gibt brutale Gewalt durch Migranten, und auch die ist immer verwerflich. Letztere aber versickert in der politischen Nachbetrachtung schnell und strategisch im Pathos der Betroffenheit.
Konstantin Kuhle von der FDP macht die Tat von Illerkirchberg "fassungslos, wütend und traurig". Der grüne baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz gibt bekannt, er sei "tief geschockt". Regierenden Politikern sollte jedoch ein anderes Instrumentarium zur Verfügung stehen als die subjektive Befindlichkeit. Sie sollten wissen, dass im Zweifel der Schutz der eigenen Bevölkerung Vorrang geniesst, und entsprechend handeln.
Die sozialdemokratische Bundesinnenministerin Nancy Faeser spricht von "furchtbaren Nachrichten", ohne ein Wort über die Hintergründe der Tat zu verlieren. Täte sie es, müsste sie sich eingestehen,
Wer Migration nur unter ökonomischen oder humanitären Gesichtspunkten betrachtet, verkennt ihre Bedeutung für die innere Sicherheit. Das Bundeslagebild "Kriminalität im Kontext von Zuwanderung" von 2021 zeigt, dass bei "Straftaten gegen das Leben" der Anteil der tatverdächtigen Zuwanderer bei 12,8 Prozent liegt. Ähnlich hoch ist der Anteil an Vergewaltigungen und sexueller Nötigung. Die polizeiliche Kriminalstatistik definiert Zuwanderer als Asylbewerber, Schutz- und Asylberechtigte sowie Kontingentflüchtlinge, jeweils in Duldung oder unerlaubtem Aufenthalt. Sie stellen etwa zwei Prozent der Gesamtbevölkerung.
Daraus folgt keineswegs die Pflicht zur Abschottung - wohl aber der Auftrag, künftig genauer hinzuschauen, wen man ins Land lässt, wen man ablehnt, wen man rasch wieder ausweist. Mittelfristig wird sich die Debatte nicht vermeiden lassen, ob das Asylrecht in seiner vorliegenden Form den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird. Die Bundesrepublik wurde nicht als Arbeitsgemeinschaft zur Linderung der Leiden dieser Welt gegründet.
Aus all dem folgt: Nicht der instrumentalisiert die schlimmen Taten von Illerkirchberg, Ludwigshafen oder Kandel, der sie als eine Herausforderung für den Schutz der einheimischen Bevölkerung benennt, sondern der, der nicht darüber reden will. Wenn Politik die Augen vor wirklichen Gefahren verschliesst, wird sie selbst gefährlich. Und ein Staat, der sein Sicherheitsversprechen bricht, verliert schleichend seine Legitimation.
Roland Dr. Mock
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Zwei Anmerkungen:
Erstens: Es gibt eine Vielzahl ähnlicher Fälle. Die Polizeiberichte deutscher Großstädte sind voll davon.
Zweitens: Es wird sich nichts ändern. Nie. Etwas zu ändern am Umgang mit Einwanderern, speziell mit denen, die Verbrechen begehen, hieße, die Grundlagen rot-grüner Politik zu ändern. Und die derzeitige Regierung wird eher Deutschland als sich selbst abschaffen. Und das weiß auch jeder hierzulande (in Deutschland).