Rückkehr der US-Falken:

Das Netzwerk von Joe Biden

Bericht: Nikolaus Steiner, Frank Konopatzki, Borhan Akid

Der gewählte neue US-Präsident Joe Biden spricht von Versöhnung, Gemeinsamkeiten, Multilateralismus. Dabei hatte er als US-Senator ganz andere Töne angeschlagen: Er war starker Verfechter der US-Militärinterventionen auf dem Balkan, in Afghanistan und im Irak und Befürworter des Drohnenkriegs unter Obama. Und heute? Betrachtet man Bidens außenpolitisches Beraternetzwerk dürften bald wieder einige Hardliner das Sagen haben. Berater, mit besten Verbindungen zur US-Rüstungsindustrie.

Georg Restle: "Einer der wenigen öffentlichen Auftritte von Donald Trump in den letzten Tagen. Ein US-Präsident, der nicht weichen will, der ein mittlerweile doch deutliches Wahlergebnis weiterhin hartnäckig ignoriert, und dessen Team nicht mal mehr davor zurückschreckt, einen Putsch anzudrohen. Neun Tage nach der US-Präsidentenwahl zeigt sich überdeutlich, was für ein Antidemokrat da vier Jahre lang als mächtigster Mann der Welt galt. Guten Abend und willkommen bei MONITOR.

Klar, gegenüber Donald Trump wirkt Joe Biden wie eine demokratische Lichtgestalt. Dabei gerät schnell in Vergessenheit, welche Politik der nächste US-Präsident jahrzehntelang vertreten hat und wofür er vor allem außenpolitisch steht. Viele, die ihm da heute noch zujubeln, könnten morgen schon schwer ernüchtert sein, wenn ihnen klar wird, mit wem wir es da in den nächsten vier Jahren zu tun haben werden. Nikolaus Steiner, Frank Konopatzki und Borhan Akid haben sich mal genauer angeschaut, an wessen Seite Joe Biden in den letzten Jahrzehnten Politik gemacht hat und wer ihm da heute immer noch beratend zur Seite steht."

Joe Biden - er will das freundliche Gesicht der USA sein. Versöhnung und Zusammenarbeit statt Spaltung und Alleingänge. Aber was bedeutet ein Präsident Biden für eine Welt voller Konflikte? In der Ukraine, im Irak, in Syrien, Libyen, Afghanistan und vielen anderen Konfliktherden? Was erwartet die Welt mit einem Präsidenten Joe Biden? Um das zu verstehen, muss man in die Vergangenheit blicken. Joe Biden hatte die Außenpolitik der USA über Jahrzehnte entscheidend mitgeprägt. Zunächst zwölf Jahre als Senator im Ausschuss für Außenpolitik, später acht Jahre als Vizepräsident unter Barack Obama. In dieser ganzen Zeit hatte Biden viele militärische Einsätze befürwortet.

Edward Knudsen, Politikwissenschaftler u. Aktivist (Übersetzung Monitor): "Joe Biden glaubt ganz gewiss an das, was er Amerikas Führungsrolle nennt. Das bedeutet Vorherrschaft der USA und militärische Intervention. Er glaubt, Amerika habe das Recht, überall und jederzeit zu intervenieren."

Biden war als US-Senator vehementer Verfechter von US-Militärinterventionen, etwa in Serbien 1999 oder in Afghanistan 2001. Und auch bei der Entscheidung, im Irak einzumarschieren und Saddam Hussein zu stürzen, spielte Biden eine entscheidende Rolle. 2003 präsentierte US-Außenminister Colin Powell der Welt angebliche Beweise dafür, dass der Irak über Massenvernichtungswaffen verfüge, doch die wurden nie gefunden. Die US-Regierung hatte die Welt belogen. George W. Bush hatte bei seinen Plänen einen mächtigen und einflussreichen Verbündeten, den demokratischen Senator Joe Biden, der einen Einmarsch im Irak schon Jahre zuvor gefordert hatte.

Joe Biden, US-Senator, 03.09.1998 (Übersetzung Monitor): "Solange Saddam an der Macht ist, besteht keinerlei Aussicht darauf, dass wir sein gesamtes Programm der Massenvernichtungswaffen ausmerzen können. Der einzige Weg, um Saddam Hussein loszuwerden, ist der: Wir müssen am Ende alleine losschlagen - alleine losschlagen - und es wird Männer in Uniform brauchen wie Sie, die zu Fuß in die Wüste gehen und Saddam ausschalten."

Daniel L. Davis, Militäranalyst, Denkfabrik Defense Priorities (Übersetzung Monitor): "Biden hat als Ausschussvorsitzender im US-Senat eine entscheidende Rolle gespielt. Er war sehr einflussreich und erfolgreich darin, die Leute zu überzeugen, diesen Krieg im Irak zu führen. Er war sehr bestimmt, ein Hardliner und er blieb auch sehr lange Zeit danach ein Unterstützer und Verteidiger des Irakkriegs."

Erst Jahre später ändert Biden seine Haltung. Als Vizepräsident nennt er den Irakkrieg einen Fehler und wendet sich gegen eine Truppenaufstockung in Afghanistan. Den sogenannten Krieg gegen den Terror aber will Biden weltweit weiterführen - nur mit anderen Mitteln. Kleinere Missionen mit Spezialeinheiten statt großer Interventionen mit zehntausenden Soldaten. Dabei setzt er auch auf bewaffnete Drohnen, die von Somalia bis Pakistan jederzeit zuschlagen können.

Edward Knudsen, Politikwissenschaftler und Aktivist (Übersetzung Monitor): "Durch diese Politik, die Joe Biden in der Obama-Administration leidenschaftlich vertreten hatte, wurde die Politik und die Kultur eines endlosen, weltweiten Krieges institutionalisiert."

Heute schlägt Biden auch gemäßigte Töne an. Er wolle endlose Kriege beenden und US-Truppen abziehen. Er wolle zurück zum Atomabkommen mit dem Iran und die US-Unterstützung im Jemen-Krieg beenden. Also doch mehr Diplomatie und weniger militärische Muskelspiele?

Daran kann man Zweifel haben, wenn man sich anschaut, wer Joe Bidens außenpolitische Berater sind.

Jonathan Guyer, Journalist, The American Prospect (Übersetzung Monitor): "Es ist völlig klar, dass Bidens engster Beraterkreis - egal ob Nicholas Burns oder andere ehemalige Obama-Mitarbeiter wie Michèle Flournoy - enge Verbindungen zur Rüstungsindustrie haben. Sie beraten die Rüstungsindustrie oder sie haben Funktionen in Denkfabriken und anderen Einrichtungen, die von der Rüstungsindustrie unterstützt werden. Und wenn man sich anschaut, wie diese engsten Berater von Joe Biden über nationale Sicherheit sprechen - sehr aggressiv, sehr militaristisch - und damit eine Politik unterstützen, die der Rüstungsindustrie zugutekommt, dann wirft das schon Fragen bezüglich eines Interessenkonflikts dieser Leute auf."

Joe Biden - jahrzehntelang prägte er maßgeblich die US-Außenpolitik, befürwortete einen völkerrechtswidrigen Krieg im Irak, der auf Lügen basierte. Forcierte als US-Vizepräsident einen weltweiten Drohnenkrieg, und umgibt sich mit Beratern, die offenbar auch die Interessen der Rüstungsindustrie im Blick haben. Wird die US-Außenpolitik mit ihm als Präsident einen Neustart erleben? Oder ist es doch nur eine Rückkehr zu den Ideen aus vergangenen Zeiten?

Georg Restle: "Und noch ein Wort zu Donald Trump, der von seinen Anhängern ja gerne als Friedenspräsident gepriesen wird, weil er angeblich keine neuen Kriege angezettelt hätte. Die ignorieren dann allerdings, dass Trump die tödlichen Drohnenkriege sogar ausgeweitet hat und milliardenschwere Rüstungsdeals mit Saudi Arabien abschloss, das mit US-Waffen im Jemen einen grausamen Krieg gegen die Zivilbevölkerung führt. Wer das alles für friedlich hält, hat einen eigenartigen Begriff von Frieden."


Quelle: ARD Monitor