Von Patrick Hyslop
Am gestrigen Montag hat mein Kollege Florian Gürtler seine Meinung zur Randale von Frankfurt niedergeschrieben (seinen Kommentar findet Ihr HIER). Er kritisierte dabei die Erwähnung des Migrationshintergrundes der Tatverdächtigen. Die Debatte darüber könnte Hetze befeuern, so seine Sorge.
Bei allem Verständnis: Ich denke nicht, dass man diesen Punkt bei der Analyse des nunmehr zweiten größeren Vorfalls dieser Art in kurzer Zeit unter den Teppich fallen lassen sollte.
Denn wenn es um die Krawalle geht, dann fallen mir derzeit immer zwei Leitsätze ein. Der erste ist vom Spiegel-Gründer Rudolf Augstein.
Nicht nur im Journalismus finde ich sein Motto "Sagen, was ist" elementar. Beispielsweise auch in einer Beziehung sollte man sagen, was ist. Oder in der Politik. Und ganz besonders dann, wenn die Nation geschockt auf Gewaltexzesse mitten in deutschen Großstädten schaut.
Es ist nicht nur Quatsch, Dinge schönzureden. Es hilft auch nicht dabei, sich womöglich viel zu lange übersehener Probleme gewahr zu werden - und diese zu lösen. Und da kommen wir zum zweiten Leitsatz.
Dieser prangte eingerahmt und in Plakatgröße im Büro meines ehemaligen Chefs: "Be part of the solution, not the problem." ("Sei Teil der Lösung, nicht des Problems.")
Denn eher zum Problem als zur Lösung hatte zunächst die Stuttgarter Polizei nach den aufsehenerregenden Krawallen in der Nacht auf den 21. Juni beigetragen.
Als es um die Täter der Krawallnacht ging, wurde nebulös von einer
Während Stuttgarts Polizeipräsident Franz Lutz erst später sagte, was ist (TAG24 berichtete), ging man in Frankfurt gleich in den Klartext-Modus über. Dort wurden Dutzende Personen vorübergehend festgenommen.
Die Frage, die sich für mich zum Hintergrund der Tatverdächtigen stellt, ist nicht, ob dies Rassisten nützen könnte. Sondern was hier offenbar gesellschaftlich und integrationspolitisch schiefgelaufen ist. Wer sind die jungen Leute, die lieber zerstören und randalieren, als aufzubauen und mitzugestalten?
"Es sind Jugendliche, die sich abgehängt fühlen und Deutschland nicht als ihr Land ansehen", sagt etwa der Frankfurter Club-Betreiber Rusbeh Toussi gegenüber der Welt. Laut Toussi habe man es "mit Leuten zu tun, die zwar Deutsche sind, aber sich trotzdem nicht zugehörig fühlen und einen enormen Frust verspüren".
Was bedingt den Frust? Den Zorn? Und letztlich die Gewalt? Und vor allem: Was kann man dagegen tun? Braucht es etwa mehr Sozialarbeiter? Braucht es mehr Polizei? Oder gar beides?
Um ein Problem zu lösen, muss man sich erstmal eingestehen, dass es überhaupt eines gibt. Und dann in die Analyse gehen. Insofern ist es richtig, dass die Polizei mittlerweile genauer hinschaut und sagt, was ist. Die Bevölkerung tut es nämlich auch - was die regen Debatten im Netz beweisen.
Wer also Teil der Lösung sein will, der sollte sagen, was ist. Denn Schweigen löst gar nichts. Im Fall des Schweigens stellt sich nämlich nicht die Frage, ob uns neuerliche Krawallbilder aus deutschen Städten erreichen, sondern nur noch aus welcher...
Quelle: tag24 vom 21.07.2020