Cum-Ex-Skandal: Bankier suchte Hilfe bei Scholz

von Lutz Ackermann, Manuel Daubenberger, Oliver Hollenstein, Christian Salewski, Karsten Polke-Majewski, Oliver Schröm & Willem Konrad

Die Privatbank Warburg hat in der Cum-Ex-Affäre offenbar intensiv versucht, Einfluss auf die Hamburger Regierung zu nehmen, um einer Steuerrückzahlung in Höhe von rund 90 Millionen Euro zu entgehen. Das geht aus Tagebüchern des Mitinhabers der Warburg Bank, Christian Olearius, hervor, die Panorama und die Wochenzeitung "Die Zeit" einsehen konnten. Demnach hat sich Olearius mindestens drei Mal mit dem damaligen Ersten Bürgermeister Olaf Scholz getroffen. Zwei der Treffen fanden im Jahr 2016 statt, ein drittes Treffen 2017. Panorama vom 03. September 2020
Die Privatbank Warburg hat in der Cum-Ex-Affäre offenbar versucht, Einfluss auf die Hamburger Regierung zu nehmen, um einer Steuerrückzahlung von rund 90 Millionen Euro zu entgehen.
Treffen zwischen Scholz und Olearius auch 2017

Gegenüber Panorama und "Zeit" bestätigte Scholz nun die Treffen mit Olearius. Bislang hatten weder er noch die Hamburger Senatskanzlei die Öffentlichkeit über die Treffen 2016 unterrichtet, sondern nur den Termin 2017 eingeräumt.

Scholz weist strikt zurück, zu Gunsten von Warburg interveniert zu haben. Gegen Christian Olearius und weitere Mitarbeiter der Bank wurde seit 2016 wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit sogenannten Cum-Ex-Geschäften ermittelt. Bei den Treffen soll Olearius Scholz sowohl über die Cum-Ex-Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln gegen ihn und die Warburg Bank als auch über drohende Steuerrückforderungen im mehrstelligen Millionenbereich durch die Hamburger Finanzverwaltung informiert haben, offenbar, um politischen Beistand zu organisieren.

Olaf Scholz bestätigte nun die Treffen mit Olearius. Bislang hatten weder er noch die Hamburger Senatskanzlei die Öffentlichkeit über die Treffen 2016 unterrichtet.

Im Finanzausschuss des Bundestages wurde Olaf Scholz zu seiner Rolle im Steuerverfahren gegen die Warburg Bank bereits zweimal befragt. Nach übereinstimmender Aussage mehrerer Teilnehmer der Sitzungen hatte Scholz die Treffen mit Olearius im Jahre 2016 nicht erwähnt. Nach Recherchen von Panorama und "Zeit" habe er davon gesprochen, ab und zu mit Vertretern der Warburg-Bank, aber auch anderer Banken gesprochen zu haben. Dies sei normal.

Auf Anfrage teilte Scholz mit, "er habe keine konkrete Erinnerung an den Inhalt der Gespräche." Er sei aber "nicht mit dem Steuerverfahren der Warburg-Bank befasst gewesen" und "habe sich nicht in die Angelegenheit eingeschaltet." Die Bearbeitung der Steuersachen sei "ausschließlich Sache der Steuerverwaltung" gewesen.

In den Tagebüchern von Olearius findet sich kein Hinweis darauf, dass Scholz tatsächlich Einfluss auf das Steuerverfahren genommen haben könnte.

Kontakt zur Kahrs und Pawelczyk Traf sich in der Causa Cum-Ex mit Christian Olearius: Johannes Kahrs, 2016 haushaltspolitischer Sprecher der SPD im Bundestag.

Aus den Tagebucheinträgen geht auch hervor, dass Christian Olearius im März 2016 Kontakt zu Johannes Kahrs aufnahm - damals haushaltspolitischer Sprecher der SPD im Bundestag - und zu Alfons Pawelczyk, seit den 80er-Jahren ein einflussreicher SPD-Mann in Hamburg. Die beiden sollten offenbar helfen, die drohende Rückforderung des Hamburger Finanzamtes von 47 Millionen Euro zu verhindern. "Beide stehen zur Hilfe bereit", heißt es in den Tagebüchern.

Darin ist auch vermerkt, dass Johannes Kahrs mit der Leitung der Bankenaufsicht (Bafin) und dem Bundesfinanzministerium gesprochen habe. Und dass Olearius den Kreisverband von Kahrs im Jahr 2017 mit einer Spende von 13.000 Euro unterstützt habe. Pawelczyk, so heißt es an anderer Stelle, "armiere ich mit Unterlagen. Er wird das Gespräch mit H. Scholz suchen." Und später: "Am Donnerstag, den 4. August, berichtet H. Pawelczyk vom Gespräch mit H. Scholz. Der geht der Sache nach."

Weitere Treffen mit Scholz Auch Alfons Pawelczyk (SPD) bereitete wohl ein Treffen von Olearius mit Hamburgs damaligen Bürgermeister Olaf Scholz vor.

Pawelczyk soll außerdem ein Treffen von Scholz und Olearius am 7. September 2016 vorbereitet haben. Laut Tagebuch nahm sich Scholz in seinem Amtszimmer eineinhalb Stunden Zeit für Olearius, der ihm die schwierige Lage der Bank schilderte. Über die Reaktion von Scholz notierte Olearius: Scholz "hört aufmerksam unseren Schilderungen zu und stellt kluge Fragen." Und weiter: "Wir bekommen nichts versprochen, erwarten, fordern das auch nicht. jederzeit könne ich mich melden, er erwarte das auch in dieser Angelegenheit."

Am 26. Oktober 2016 kam es zu einem weiteren Treffen zwischen Olearius und Scholz. Bei dieser Gelegenheit übergab Christian Olearius, wie es in seinem Tagebuch heißt, ein siebenseitiges Papier. In dem Dokument legt die Warburg Bank dar, warum ihr die Cum-Ex-Gelder zustünden und dass deren Rückforderung "zu einer Existenzgefährdung" der Bank führen würde. Das Papier liegt Panorama und der "Zeit" vor. Olearius notierte zu dem Treffen, Scholz "fragt, hört zu, äußert keine Meinung. Lässt nicht durchblicken, was er denkt und ob und wie er zu handeln gedenkt. Ich verstehe das, will ja auch nicht drängen und ihn in irgendeiner Weise kompromittieren."

Quelle: Panorama vom 03.09.2020


Scholz verschwieg Treffen mit Bankier -
Warburg Bank soll versucht haben, Einfluss auf Hamburger Politik zu nehmen

4. September 2020

Warburg Bank soll versucht haben, Einfluss auf Hamburger Politik zu nehmen (imago)

Die Hamburger Warburg Bank hat offenbar versucht, Einfluss auf die Politik der Hansestadt zu nehmen, um einer Steuerrückzahlung in Höhe von rund 90 Millionen Euro zu entgehen.

Das geht aus Tagebüchern des Warburg-Mitinhabers Olearius hervor, die Reporter von NDR, der Süddeutschen Zeitung und der Wochenzeitung "Die Zeit" einsehen konnten. Demnach hat sich Olearius in den Jahren 2016 und 2017 mindestens drei Mal mit dem damaligen Ersten Hamburger Bürgermeister und jetzigem Bundesfinanzminister Olaf Scholz getroffen. Hintergrund der Gespräche sollen laut Aufzeichnungen von Olearius mögliche Steuerrückforderungen der Stadt Hamburg in Millionenhöhe gewesen sein.

Scholz sprach bislang von einem Treffen

Bislang hatte Scholz lediglich von einem Besuch des Bank-Chefs im Jahr 2017 gesprochen. Die anderen Treffen soll er nicht erwähnt haben, auch nicht, als der Vorgang im März und im Juli Thema im Bundestags-Finanzausschuss war.

Olearius soll - auch in Gesprächen mit anderen SPD-Politikern - versucht haben, Steuerrückforderungen der Stadt in zweistelliger Millionenhöhe abzuwenden. Gegenüber Panorama und "Zeit" soll Scholz die Treffen mit Olearius nun bestätigt, aber strikt zurückgewiesen haben, zu Gunsten von Warburg interveniert zu haben.

Auch Kontakt zu anderen Politikern

Kontakt hatte Olearius in der Angelegenheit demnach auch zu dem damaligen haushaltspolitischen Sprecher der SPD im Bundestag, Johannes Kahrs, sowie zu dem Hamburger SPD-Politiker Alfons Pawelczyk. Brieflich soll er sich zudem in Absprache mit Scholz an den damaligen Hamburger Finanzsenator und heutigen Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher gewandt haben.

Die Vorgänge sind laut NDR deshalb relevant, weil die Hamburger Steuerbehörde im Jahr 2016 Steuerrückforderungen in Höhe von 47 Millionen Euro aus Cum-Ex-Geschäften des Jahres 2009 der Warburg Bank verjähren ließ. 2017 forderte sie erst nach einer Anweisung des Bundesfinanzministeriums wenige Wochen vor einer erneuten Verjährung 43 Millionen Euro aus Cum-Ex-Geschäften der Bank aus dem Jahr 2010 zurück.

Hamburger Abendblatt berichtete über Parteispenden

Das "Hamburger Abendblatt" hatte bereits im Februar unter Berufung auf einen Parteisprecher berichtet, dass ein Tochterunternehmen der Warburg-Bank im Jahr 2017 mehr als 45.000 Euro an die Hamburger SPD gespendet habe - den größten Teil davon an den SPD-Kreis Hamburg Mitte. Dessen Vorsitzender, der Bundestagsabgeordnete Kahrs, räumte damals gegenüber dem Blatt ein, sich mit dem damaligen Bank-Chef Olearius getroffen und über mögliche Folgen des Cum-Ex-Skandals gesprochen zu haben.

Bei "Cum-Ex"-Geschäften wurden rund um den Dividendenstichtag Aktien mit und ohne Ausschüttungsanspruch zwischen mehreren Beteiligten hin- und hergeschoben. Am Ende war dem Fiskus nicht mehr klar, wem die Papiere gehörten. Finanzämter erstatteten Kapitalertragsteuern, die gar nicht gezahlt worden waren. Banken und Aktienhändler nutzen so eine Gesetzeslücke und ließen sich über Jahre Steuern erstatten, die sie nie gezahlt hatten. Dem Staat entstand ein Milliardenschaden. Die Staatsanwaltschaft Köln führt in diesem Zusammenhang mehr als 70 Verfahren.


Quelle: DLF vom 04.09.2020