Buchauszug "Als Frau im arabischen Clan" Clan-Frau packt über ihre Familie aus: "Sie lachten die dummen Deutschen aus"

Bernd Thissen/dpa
Polizisten sichern während einer Razzia von Zoll und Polizei eine Shisha-Bar.

Mittwoch, 28.08.2024, 08:01

Latife Arab wurde in einen der größten Clans Deutschlands hineingeboren. Schon als Kind war sie in die kriminellen Machenschaften involviert, wurde zu Straftaten gezwungen. Jetzt hat sie ein Buch geschrieben. Lesen Sie im folgenden einen Auszug. Darin schildert die Frau die Missachtung des deutschen Rechtsstaates durch ihre Familie.

Mit dem deutschen Rechtsstaat wollte keiner etwas zu tun haben. Bis heute werden die meisten Streitereien untereinander ausgemacht, auch weil die deutsche Justiz von vielen Sachen gar nichts mitbekommt, weil Anklagen wieder fallen gelassen werden und keiner der Beteiligten gegen einen anderen aussagt.

Streits im Clan-Milieu: Eine Sache des Respekts

Zunächst gibt es bei diesen Privatverhandlungen einen Vermittler. Der schlägt einen Richter vor, jemanden aus der Gemeinde, der Ansehen bei allen genießt. Wenn alle einverstanden sind, treffen sich die Männer und verhandeln. Dabei ist es immer wichtig, zuallererst seine Tat zu gestehen, das ist eine Sache des Respekts.

Dann stellt die Gegenseite die Forderung, die sie für angemessen hält. Ob es sich um Geld, Gegenstände oder Menschenleben handelt, alles ist erlaubt und nichts unmöglich.

Will jemand als Wiedergutmachung eine Frau für seinen Sohn, dann wird ein Mädchen aus der Familie ausgesucht, und zack - ist die Verhandlung gelaufen. Das Leben eines Mädchens ist nicht viel wert in dieser Welt. Ich denke an die Geschichte im Dorf meiner Eltern, als ein kleines Mädchen von meinem entfernten Onkel mit dem Traktor überfahren wurde und meine Familie ihrer Familie ein Stück Land gab. Damit war die Sache aus der Welt. So laufen Gerichtsverhandlungen ab. Damals wie heute.

Jeder blöde Spruch war Anlass für Gewalt

Auch innerhalb unserer Familie gab es für eine Weile so etwas wie Krieg. Jeder meiner Brüder wollte das Sagen haben und das eskalierte fast täglich in Zoff und körperlichen Auseinandersetzungen unter den Jungs und später auch zwischen ihnen und unseren Eltern. Jede Kleinigkeit und jeder blöde Spruch waren Anlass für Gewalt. Einmal war mein Bruder Yunus nach einem Streit mit unseren Eltern so geladen, dass er den Nächstbesten, der ihm auf der Straße begegnete, so schlimm verprügelte, dass der Mann bis heute mit den Folgeschäden zu tun hat.

Da mein Bruder für verschiedene andere Delikte bereits Verwarnungen bekommen hatte, kam es diesmal tatsächlich zu einer Gerichtsverhandlung, und der Richter brummte ihm eine Haftstrafe in der Jugendstrafanstalt auf. Nach knapp achtzehn Monaten kam er wegen guter Führung auf Bewährung frei.

Wer im Knast saß, hatte versagt

Selbst im Gefängnis hatte er nichts zu befürchten. Er hatte ein Handy und konnte jederzeit telefonieren. Erlaubt war das natürlich nicht, aber er fand seine Wege. Auch schickte die Familie ihm genügend Geld, um mit seinen Mithäftlingen klarzukommen. Er ordnete sich nicht gern unter, auch nicht im Knast, und er brauchte Geld, um sich seine eigene kleine Gruppe Untergebener kaufen zu können. Fast jedes Wochenende tingelte ich mit meinen Kindern in die Jugendstrafanstalt zu Yunus, weil ihn sonst keiner aus der Familie besuchte. Einzig meine Mutter begleitete uns gelegentlich.

Das war so ein Ding in der Familie: Wer im Knast saß, hatte versagt und wurde für diese Zeit einfach aussortiert. Sobald er freikam, war alles vergessen, und er nahm wieder seinen angestammten Platz ein. Heute sieht das anders aus. Ist jemand im Knast, steht die ganze Familie an seiner Seite.

Mit jedem Jahr, das verging, wurden die Taten schlimmer und die Familie größer. Wir Frauen waren nicht direkt an den Delikten beteiligt, doch wir hatten auch unsere Aufgaben, die das System am Laufen hielten: Wir versteckten die Beute, gaben Alibis, machten Falschaussagen, bekamen jede Menge Kinder und hielten uns an die Regeln, die unsere Männer machten.

Alle lachten "die dummen Deutschen" aus

Wurde ein Haus durchsucht, wussten wir genau, wer sprach und wer besser schwieg. Alles hatte seinen Ablauf, genau wie auch bei der Polizei die Dinge ihren Ablauf hatten, und jedes Mal, wenn die Beamten das Haus wieder verlassen hatten, saßen alle zusammen und lachten die "dummen Deutschen" aus. Die Sozialleistungen am Ende des Monats kamen zuverlässig, drohte eine Behörde mit Kürzungen, schaltete die Familie sofort einen Anwalt ein.


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