FOCUS-Online-Autor Ulrich Reitz
Freitag, 13.11.2020,
Mahmoud al-Zein, der abgelehnte, aber von Deutschland nie abgeschobene Asylbewerber aus dem Libanon, der es in den neunziger Jahren zum "Paten von Berlin" und einem Leben in Saus und Braus brachte, schreibt über den gleichzeitigen Bezug von Sozialhilfe dies:
Nun hat dieser Pate, der Pate stand für den also gar nicht so fiktiven Clanchef Toni Hamadi aus der Serie "4 Blocks", seine Memoiren aufgeschrieben, und man kann nur sagen: Hier hat der Mann recht.
Beispiel Sozialhilfe: Die oben zitierte Passage schreibt al-Zein in seinem Buch "Der Pate von Berlin: Mein Weg, meine Familie, meine Regeln" aus der Perspektive der Jahrtausendwende, er sitzt zu diesem Zeitpunkt einmal mehr in Haft. Fünf Jahre zuvor hatte er einen bemerkenswerten Auftritt in der Öffentlichkeit. Er und sein Freund, die Rotlichtgröße Steffen Jacob, feiern in einem Edel-Restaurant mit Hummern auf den Tellern und Jacob gibt vor laufender Kamera bekannt,
Das Bezirksamt streicht wenig später dem Paten die Sozialhilfe. Der aber hat eben auch Geld genug für die besten Anwälte,
Die Lektüre der Verbrecher-Memoiren lohnt, wenn man parallel das hervorragend recherchierte Buch der beiden Spiegel-TV-Reporter Thomas Heise und Class Meyer-Heuer über die "Macht der Clans" liest, in dem es die al-Zeins zu einem eigenen Kapitel gebracht haben. Hauptfigur: Clanchef Mahmoud.
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Vor allem aber in der Politik, die erst in jüngerer Zeit begriffen hat, wie gefährlich "die arabischen Großfamilien und ihre kriminellen Imperien", so der Untertitel des "Spiegel"-Buchs, sind.
Das Staatsversagen beginnt mit der Einreise al-Zeins aus dem Libanon. O-Ton Mahmoud al-Zein: "Wir kümmerten uns um Flugtickets und gingen zum Amt, um ein "Laissez-passer", einen Passierschein, für mich und meine Frau zu beantragen. Er war einen Monat lang gültig und legitimierte uns innerhalb dieses Zeitraums zur Ausreise aus dem Libanon und zur Einreise in die Deutsche Demokratische Republik, die DDR.
Was das bedeutete, war mir damals nicht klar. (...) Erst später verstand ich, dass wir für Westdeutschland überhaupt keine Visa bekommen hätten. Dass die Möglichkeit einer unkomplizierten Einreise in die DDR via Passierschein den guten Beziehungen der Sowjetländer zum Libanon geschuldet war. Dass Ostberlin damals von zahlreichen libanesischen Flüchtlingen als Nadelöhr nach Westdeutschland genutzt wurde, weil die ostdeutschen Grenzer ihren Freunden aus dem Libanon im Gegensatz zur eigenen Bevölkerung keine Probleme beim Übertritt nach Westberlin machten."
Das ist historisch korrekt, wobei: Mahmoud al-Zein war gar kein Flüchtling. Weil er ein Schläger war und schon als Jugendlicher israelischen Jets aus dem Slums von Beirut aus mit dem Maschinengewehr hinterher schoss, schickte ihn seine Familie auf eine Reise nach Deutschland. Folgerichtig wird al-Zeins Asylantrag abgelehnt. Abgeschoben wird er allerdings nicht, denn der Libanon ist Bürgerkriegsland. Al-Zein wird zur Ausreise bloß aufgefordert, aber er bleibt. Kunststück: Die deutsche Sozialhilfe übersteigt ein Professoren-Gehalt in Beirut.
Aber al-Zein ist nicht nur kein Flüchtling, er war ausweislich der Ermittlungen des Berliner Landeskriminalamts nicht einmal Libanese. Sondern Türke. Dessen Name nicht al- Zein sei, sondern: Uca. Das südanatolische, in der Provinz Mardin gelegene Dorf, aus dem er stammen soll, heißt Ückavak, und von dort, so schreiben es Heise und Meyer-Heuer, stammten "die meisten arabischen Clans in Deutschland". Al-Zeins offenbar türkische Herkunft führt zu politischen Verwicklungen. Der damalige Bundesinnenminister Otto Schily versucht in einem Telefonat mit seinem türkischen Innenministerkollegen, al-Zein loszuwerden. Er scheitert.
Al-Zein ist schon im Libanon ein Gewalt-Jugendlicher, deshalb schickt ihn seine Familie nach Deutschland. Sein Onkel empfiehlt ihm eine Ausbildung. "Aber ich langweilte mich wie verrückt", schreibt al-Zein - und entscheidet sich für die Straße. Und zwar den Teil, der im Schatten liegt. Dort ist Skrupellosigkeit und Gewaltbereitschaft die Währung, auf diese Weise erwirbt man dort Autorität. Al-Zeins arabische Gangs verwickeln sich in mit äußerster Brutalität ausgetragene Revierkämpfe mit immer neuen Einwanderern: so genannten Hütchenspielern aus Albanien, sodann mit "der neuen Generation kurdischer Flüchtlinge" aus dem Irak und der Türkei, die sich mit den jungen Albanern gegen die "alteingesesssenen" Araber al-Zeins verbünden.
Zwischen 10.000 und 20.000 Clan-Mitglieder leben in Deutschland. So genau weiß keine Behörde das. Rund die Hälfte der Nachfahren der ungesteuerten, wilden Einwanderung hat heute einen deutschen Pass. Auch die Frage, wie kriminell die Clans sind, lässt sich nicht genau beantworten. Insider-Berichte sprechen von 80 Prozent, manche von 20 Prozent. Tatsächlich leben viele Clan-Mitglieder ein normales Leben. Zu den Regeln der Clans gehört, unter sich zu bleiben. Und, dieses Unter-sich-bleiben als Unter-sich-bleiben müssen darzustellen, weil die deutsche Mehrheitsgesellschaft sie nicht akzeptiere. Der Opfer-Mythos ist fester Bestandteil der Clan-Erzählung.
Männer werden gern mit der Cousine verheiratet. So wie Mahmoud al-Zein, der heute in Duisburg lebt, obwohl er nach eigener Auskunft offiziell in Berlin gemeldet ist. Sein Dasein dort beschreibt er so: "Im Baumarkt kaufte ich Erde, Schaufel, Harke, Setzlinge, pflanzte Obst an, besorgte Hühner und Hasen, bestellte meinen eigenen Garten. Damit war ich zufrieden." Den Mitgliedern seiner Familie rät er: "Schlagt nicht den gleichen Weg ein wie ich, denn das macht euch kaputt." Warum eigentlich? Mahmoud Al-Zein hat es schließlich zu etwas gebracht.
Quelle: focus.de vom 13.11.2020