Chipkonzern Intel streicht 15.000 Jobs - Sorgen in Magdeburg

Korrespondent München - Joachim Hofer berichtet von München aus über die Chip-Industrie.

02.08.2024 - 00:09 Uhr aktualisiert

Der Halbleiterhersteller verzeichnet hohe Verluste und kündigt einen umfangreichen Stellenabbau an. Für den geplanten Standort in Deutschland sind das schlechte Nachrichten.

Pat Gelsinger: Der Intel-Chef wirft mehrere Tausend Beschäftigte raus.
Foto: REUTERS

München. Der einst weltgrößte Chiphersteller ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Im zweiten Quartal ist Intel geschrumpft und hat tiefrote Zahlen geschrieben. Weil keine Besserung in Sicht ist, will Konzernchef Pat Gelsinger jetzt massiv sparen: Nächstes Jahr sollen die Kosten um zehn Milliarden Dollar sinken.

Mindestens 15 Prozent der Stellen sollen deshalb gestrichen werden, teilte das US-Unternehmen am Donnerstagabend mit. Das entspräche rund 15.000 Arbeitsplätzen, wie die dpa aus einer Mitteilung an die Mitarbeiter zitiert. "Im zweiten Quartal haben wir enttäuschend abgeschnitten", sagte Gelsinger.

Intels Pressemitteilung ließ sogar noch höhere Jobverluste vermuten. Denn dort war vom Abbau von "mehr als" 15 Prozent die Rede. Die Zahl der Mitarbeiter wurde mit 116.500 bei Intel und gut 125.000 im Konzern samt Tochterunternehmen angegeben.

Im kommenden Jahr will Intel zudem wesentlich weniger für neue Werke und Maschinen ausgeben. Für Magdeburg sind das keine guten Nachrichten. Denn das dort geplante Werk steht möglicherweise auf der Kippe.

Vor zwei Jahren hat Gelsinger angekündigt, an der Elbe eine riesige Fabrik zu errichten. Bis heute lässt der Konzernchef indes offen, wann die Bauarbeiten beginnen sollen. Und das, obwohl die Bundesregierung zehn Milliarden Euro an Staatshilfe versprochen hat. Das entspricht einem Drittel der gesamten Investitionen.

Zusätzliche Kapazitäten braucht Intel derzeit jedenfalls nicht. Im Gegenteil: Das teure Equipment steht ungenutzt herum und kostet den Konzern viel Geld. Finanzchef David Zinsner zufolge haben Leerstandskosten das Ergebnis des jüngsten Quartals belastet.

Investoren lassen Intel fallen

Die Investoren reagierten schockiert auf das Quartalsergebnis. Im nachbörslichen Handel in New York brach der Aktienkurs von Intel um gut 20 Prozent ein. Zuvor hatten die Papiere im regulären Handel gut fünf Prozent an Wert verloren. Auch Konkurrenten wie Nvidia und AMD mussten zuvor im Tagesverlauf schwere Kursverluste hinnehmen - allerdings nicht im selben Ausmaß wie Intel.

Im vergangenen Quartal verbuchte der Halbleiterkonzern einen Verlust von gut 1,6 Milliarden Dollar. Vor Jahresfrist schrieb die Firma aus dem Silicon Valley noch einen Gewinn von 1,48 Milliarden Dollar. Der Umsatz sank um ein Prozent auf 12,8 Milliarden Dollar. Analysten hatten mit stabilen Erlösen gerechnet.

Schlimmer noch: Es sieht auch für das laufende Quartal nicht gut aus. So rechnet Gelsinger mit einem Umsatz zwischen 12,5 und 13,5 Milliarden Dollar. Selbst am oberen Ende ist das knapp eine Milliarde weniger, als Analysten vorab erwartet hatten. Zudem prognostiziert der Manager erneut einen Verlust.

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Deshalb werde er die Investitionen dieses Jahr um ein Fünftel auf maximal 27 Milliarden Dollar kürzen, kündigte Gelsinger an. Nächstes Jahr sollen es höchstens 23 Milliarden Dollar werden. Allerdings halte er an dem Plan fest, in den USA und dem Rest der Welt neue Werke zu bauen, teilte Intel mit.

Intels Pläne für Magdeburg sind zwei Jahre alt

Gelsinger investiert so viel wie kein CEO vor ihm in der 55-jährigen Geschichte von Intel. Der Manager steckt zeitgleich zweistellige Milliardenbeträge in mehrere neue Fabriken in Amerika und demnächst womöglich auch in Deutschland.

So soll die Intel-Fabrik in Magdeburg einmal aussehen - wenn sie denn tatsächlich kommt.
Foto: Intel

Die Pläne für das Werk in Magdeburg hat Gelsinger erstmals vor gut zwei Jahren vorgestellt. Intel hat das Grundstück inzwischen gekauft, auch die Genehmigungsverfahren laufen - mehr aber auch nicht. Ursprünglich hatte Intel den Baubeginn für 2023 in Aussicht gestellt.

Allerdings forderte Gelsinger anschließend mehr Geld vom Staat. Die Verhandlungen zogen sich über Monate hin. Im Juni 2023 einigten sich beide Seiten. Einen Termin für den Baustart nennt der Konzern seither trotzdem nicht. Anfangs hatte Intel angekündigt, mit der Serienproduktion in Magdeburg im Jahr 2027 zu starten - ein Termin, der sich nicht halten lässt.

Im Heimatland USA hat Intel dagegen längst damit begonnen, neue Werke zu errichten. So investiert der langjährige Branchenführer zweistellige Milliardenbeträge in Arizona und Ohio.

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Allerdings fällt Intel gegenüber seinen Rivalen Nvidia und AMD immer weiter zurück. So teilte AMD Anfang der Woche mit, dass der Umsatz im zweiten Quartal um neun Prozent auf 5,84 Milliarden Dollar gestiegen sei. Damit übertraf AMD-Chefin Lisa Su die Erwartungen der Analysten um gut 100 Millionen Dollar. Vor allem aber machte die Managerin den Investoren Hoffnung, dass sich AMD als ernsthafter Wettbewerber von Nvidia bei den KI-Chips etabliert. Das ist Intel bislang nicht ansatzweise gelungen.

AMD-Chefin Lisa Su: Der Rivale ist an der Börse inzwischen fast doppelt so viel wert wie Intel.
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Sie rechne mit 4,5 Milliarden Dollar Umsatz der sogenannten MI300-Chips, sagte Su. Sie sind das wichtigste Konkurrenzprodukt zu Nvidia bei KI. Das ist eine halbe Milliarde mehr, als Su bislang in Aussicht gestellt hatte. Ein Ende des KI-Booms sei nicht in Sicht, beteuerte sie am Dienstag. "Die allgemeine Meinung zu KI-Investitionen ist: Wir müssen investieren - das Potenzial von KI ist so groß", sagte sie in einer Telefonkonferenz mit Analysten.

Im Kerngeschäft mit Prozessoren für Netzwerkrechner hat AMD den Umsatz im zweiten Quartal verdoppelt. Bei PCs schossen die Erlöse um fast die Hälfte in die Höhe.

Zudem muss sich Intel einem neuen Wettbewerber stellen: Der Handychip-Spezialist Qualcomm drängt in PCs und Notebooks. Computerproduzenten wie Dell und Lenovo verbauen den Qualcomm-Prozessor "Snapdragon X Elite" in ihren neuen KI-Rechnern.

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Der neue Weltmarktführer Nvidia ist ohnehin inzwischen weit außer Reichweite für Intel. Nvidia wächst mit seinen KI-Chips sprunghaft. Konzernchef Jensen Huang legt die neuesten Zahlen voraussichtlich Ende des Monats vor.

Nur eine Aktie schneidet schwächer ab als Intel

Auch an der Börse hinkt Intel seinen Wettbewerbern hinterher. In den vergangenen Wochen gerieten zwar fast alle Chipaktien unter Druck. Aber Intel gehört zu den schwächsten Werten.

So hat der Kurs seit Jahresbeginn 42 Prozent verloren - der nachbörsliche Absturz am Donnerstag ist da noch nicht eingerechnet. Nur eine Aktie im Philadelphia Semiconductor Index der wichtigsten in den USA notierten Halbleiterfirmen hat sich noch schlechter entwickelt: Die Papiere des verlustreichen Chipherstellers Wolfspeed haben gut 60 Prozent an Wert verloren.

Bei Branchenführer Nvidia hingegen hat sich der Kurs seit Anfang Januar mehr als verdoppelt. Nvidia ist an der Börse derzeit rund 2,7 Billionen Dollar wert, das ist rund 20 Mal so viel wie Intel. Konkurrent AMD kommt auf fast die doppelte Marktkapitalisierung.

Intel-Chef Gelsinger hofft jetzt, dass sich sein Konzern mit neuen Produkten wieder gegen die Konkurrenz durchsetzen kann. Bis es so weit ist, müssen die Aktionäre aber tapfer sein: Es wird erst mal keine Dividende mehr geben.

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