Chef spricht Stütze-Klartext: Menschen mit Job haben oft weniger als mit Bürgergeld

Gonne Garling

31.07.2024 - 18:45 Uhr

Die Debatte ums Bürgergeld kocht wieder hoch. Jetzt meldet sich Jörg Sartor (68) zu Wort. Der Chef der Tafel in Essen (NRW) hält eine Reform für dringend nötig, sagt zu BILD: "So, wie es jetzt geregelt ist, ist das Bürgergeld einfach ungerecht."

Tafel-Chef Jörg Sartor (68) versorgt mit seinem Team bis zu 6000 Bedürftige pro Woche
Foto: Stephan Schuetze

Sartor spricht Stütze-Klartext: "Es war ein Riesenfehler, der Ampel-Regierung, das Bürgergeld um zwölf Prozent zu erhöhen. Ein komplett falsches Signal! Es hat dazu geführt, dass sich Arbeit zum Teil nicht mehr lohnt."

Tafel musste Regeln ändern

Jörg Sartor im Gespräch mit BILD-Reporter Gonne Garling
Foto: Stephan Schuetze

Die Folge: Bei der Essener Tafel bekommen jetzt nicht mehr nur bedürftige Menschen ohne Job kostenlos Lebensmittel. Sartor: "Wir haben die Regeln geändert, weil wir jetzt auch Geringverdiener unter unseren Kunden haben, die trotz Job weniger Kohle raus haben als ein Bürgergeld-Empfänger."

Dass sich Arbeit für Geringverdiener nicht mehr lohne, "das ist Fakt - auch wenn mir Politiker gesagt haben, dass ich Unsinn rede". Jörg Sartor nennt ein Beispiel: "Da ist ein Familienvater, der für seinen Job aufs Auto angewiesen ist. Da kann er ein noch so kleines, gebrauchtes fahren - allein die Kosten dafür sind es, die am Ende des Monats dafür sorgen, dass seine Familie weniger übrig hat als eine Bürgergeld-Familie."

Was muss sich ändern?

Sartor: "Wie man es nennt - ob nun Hartz IV oder Bürgergeld - ist total egal. Aber es muss eine eindeutige Entscheidung her. Aus Angst, etwas falsch zu machen, tut die Regierung jedoch lieber gar nichts..."

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Der Ex-Bergmann plädiert dafür, die Lebensleistung stärker zu berücksichtigen. "Wenn jemand 20 Jahre gearbeitet hat und dann wegen Krankheit, Schicksal oder allein aufgrund des Alters arbeitslos wird, dem muss geholfen werden. Wenn aber jemand, der kaum oder vielleicht sogar nie gearbeitet hat, das Gleiche bekommt - dann ist das einfach ungerecht."

Die Essener Tafel wird bald umziehen, kann dann noch mehr Bedürftige versorgen
Foto: Stephan Schuetze

Das sieht Sartor auch in Bezug auf den hohen Ausländeranteil bei Bürgergeld-Beziehern so. Der Tafel-Chef: "Es ist schwer nachvollziehbar, warum einer, der gerade über die Grenze gekommen ist, die gleichen Ansprüche haben soll wie ein anderer, der hier im Land lange geschuftet hat."

Insgesamt, so Sartor, wird der Andrang bei der Tafel beständig größer. "Wir versorgen in Essen 5000 bis 6000 Menschen pro Woche. Jeden Tag habe ich acht bis zehn zusätzliche Bewerber. Die kommen dann erst mal auf die Warteliste." Und: "Es sind weniger Familien, die kommen. Es sind eher arme Alte, die mit ihrer Rente nicht mehr klarkommen."

Die Essener Tafel wird ihr angestammtes Quartier in einem historischen Wasserturm bald aufgeben. "Wir ziehen in eine größere Lagerhalle um. Da können wir bis zu 30 Prozent mehr Menschen versorgen. Der Bedarf ist da..."


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