25.06.2023: 07:19 Uhr | Lesedauer: 3 Minuten
Von Robin Alexander
Stv. Chefredakteur
Als ich vor ein paar Tagen die "Tagesthemen" sah, musste ich schlucken: Die Kollegen berichteten über die schweren Ausschreitungen zwischen Syrern und Libanesen im Ruhrgebiet. Restaurants waren angegriffen worden, Hunderte marschierten zur Einschüchterung in Fußgängerzonen auf, selbst ernannte Stammesführer stachelten in aus Ostsyrien aufgenommenen Videos zur Vergeltung auf, hiesige islamische Geistliche sollten hingegen schlichten.
Dann ließ der WDR Essener Bürger zu Wort kommen, unter ihnen
Massenschlägereien im Clanmilieu
"Nicht das Recht der Familien gilt", sagt Reul nach den Tumulten im Ruhrgebiet
Clan-Kriminalität
"Lang gewachsene Erfahrung, dass man mit kriminellem Verhalten durchkommt"
Wer an dieser Stelle nicht merkt, das etwas verkehrt läuft, der merkt gar nichts mehr. Die Frage ist, warum merken wir das so spät? Nun, einige waren früher dran. Meine Kollegin Christine Kensche, die inzwischen für WELT AM SONNTAG aus Israel berichtet, hat vor drei Jahren mit einem Clan-Aussteiger ein ganzes Buch geschrieben: "Auf der Straße gilt unser Gesetz".
Hartnäckige und präzise Recherchen haben vor allem die Kollegen von "Spiegel TV" jahrelang vorgelegt. Dafür bekamen sie aber keinen der in der Szene verbreiteten Journalistenpreise, sondern Ärger: "Stigmatisierend und rassistisch" sei ihre Berichterstattung teilte der Verein Neue Deutsche Medienmacher 2020 mit und verhöhnte mit der Verleihung des Negativpreises: "Die goldene Kartoffel".
Die Neuen Deutschen Medienmacher gehören zu den Vereinen, die sich für Zivilgesellschaft halten, aber ihre Aktivitäten überwiegend aus staatlichen Projektgeldern finanzieren. Vor allem die ehemalige Integrationsbeauftragte im Kanzleramt, die CDU-Politikerin Annette Widmann-Mauz, förderte jahrelang sehr großzügig.
Mittlerweile ist das Gründungsmitglied der Neuen Deutschen Medienmacher, Ferda Ataman, zur Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung aufgestiegen. Bei der Abstimmung in ihrem Verein, ob man die Berichterstattung von "Spiegel", WELT und anderen Medien über Clans unter Rassismusverdacht stellen solle, habe sie sich enthalten, hat sie in einem Interview vor ihrer Beförderung gesagt.
Um nicht missverstanden zu werden: Es ist nicht so, dass der Staat nicht dagegenhält. Die Polizei war im Ruhrgebiet präsent. Sie hat politischen Rückenwind, weil sich in Nordrhein-Westfalen der Innenminister Herbert Reul, ein Christdemokrat, seit Jahren der Bekämpfung der Clankriminalität widmet. In Berlin zeigt der Neuköllner Bezirksbürgermeister Martin Hikel, ein Sozialdemokrat, mit der persönlichen Teilnahme an Razzien, wo seine Partei stehen sollte.