Von Marcel Leubecher
Politikredakteur
Stand: 03.02.2020 | Lesedauer: 4 Minuten
Wenn Flüchtlinge ihren Schutztitel verlieren, liegt das überwiegend nicht am Wegfall der Schutzgründe in ihren Herkunftsstaaten, sondern an eigenem Fehlverhalten. Im vergangenen Jahr hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) rund 170.000 anerkannte Asylbewerber geprüft, in 5610 Fällen - das sind etwa drei Prozent - wurde der jeweilige Schutztitel entzogen.
Wie das Bundesamt WELT mitteilte, habe der "überwiegende Teil der Aufhebung von Schutzentscheidungen" Personen betroffen, "bei denen individuelle Umstände die Aufrechterhaltung des asylrechtlichen Schutzes nicht mehr rechtfertigen". Bei der Mehrheit dieser 5610 ehemaligen Flüchtlinge, deren Titel entzogen wurde, habe das Amt "entsprechende Hinweise, insbesondere von den Ausländer- und Sicherheitsbehörden" erhalten.
Als Gründe für die Aberkennung nennt das BAMF "Täuschung über die Identität oder Staatsangehörigkeit, Fortzug ins Herkunftsland, Begehung von Straftaten oder auch sicherheitsrelevante Erkenntnisse anderer Behörden". Die Behörde könne keine "detaillierte Aufschlüsselung, aus welchem Grund eine Aufhebung der Schutzentscheidung erfolgte", erstellen, weil die Gründe, "die zu einem Widerruf geführt haben, individuell unterschiedlich und damit nicht auf eine statistische Komponente reduzieren" seien.
Die wichtigsten Herkunftsstaaten unter den 5610 Fällen, in denen ein Schutztitel entzogen wurde, waren laut BAMF Syrien, Irak, Afghanistan und Eritrea. Das ist wenig überraschend, denn aus diesen Ländern bekamen besonders viele Asylbewerber in den vergangenen Jahren einen Schutztitel.
So leben rund 50.000 Ausreisepflichtige Iraker, Afghanen und Eritreer im Land, es gab aber im vergangenen Jahr laut offiziellen Regierungsangaben nur 361 Abschiebungen nach Afghanistan - und laut WELT vorliegenden internen Listen der Bundespolizei von Januar bis Ende November nur 29 in den Irak und zwei nach Eritrea. Nach Syrien wurde niemand abgeschoben, für das Bürgerkriegsland hat die Bundesregierung einen vollständigen Abschiebestopp verhängt, selbst für Schwerkriminelle.
Jene 5610 "Ex-Flüchtlinge" werden auch nicht immer als ausreisepflichtig geführt. Sie tauchen dann in der Zahl der aktuell rund 250.000 Ausreisepflichtigen in Deutschland nicht auf.
Bei einem Abschiebeverbot handelt es sich um einen Schutzstatus für jene Asylbewerber, die zwar weder Asyl, Flüchtlings- noch Subsidiärschutz erhalten, die aber bei einer Rückkehr einer konkreten Gefahr ausgesetzt wären. Meist erhalten ihn Schwerkranke oder andere Härtefälle. Wer dieses Abschiebungsverbot erhält, zählt in der offiziellen BAMF-Statistik als schutzberechtigt. In der Schutzquote von 38 Prozent aller Asylanträge, über die 2019 entschieden wurde, entfielen drei Prozent auf dieses Abschiebeverbot.
Die Widerrufsprüfungen sind deswegen von entscheidender migrationspolitischer Bedeutung, weil das deutsche Asylsystem grundsätzlich nur befristet Schutz gewährt - bis der jeweilige Fluchtgrund weggefallen ist oder sich herausstellt, dass er zu Unrecht vergeben wurde.
Quelle: welt.de vom 03.02.2020