Stand: 18.10.2020 09:14 Uhr
Von Marcel Leubecher
Politikredakteur
Demnach wurden seit Anfang 2015 bis Ende 2019 insgesamt 715.134 Tatverdächtige zu dem Delikt schwere oder gefährliche Körperverletzung ermittelt. 95.282 von ihnen (13,3 Prozent) waren Asylzuwanderer, gehörten also den Aufenthaltskategorien Asylbewerber, Schutzberechtigter, Kontigentflüchtling oder Geduldeter an. Schwere oder gefährliche Körperverletzung ist das quantitativ bedeutendste Delikt innerhalb der schweren Gewaltkriminalität.
In der schwersten Deliktkategorie Mord- und Todschlag lag der Anteil der Asylzuwanderer an den ermittelten Tatverdächtigen noch höher, nämlich bei 14,9 Prozent. Laut der Sonderauswertung wurden seit 2015 bis Ende 2019 insgesamt 13.775 Tatverdächtige zu dieser Deliktkategorie ermittelt, darunter 2050 Asylbewerber, Schutzberechtigte, Kontigentflüchtlinge oder Geduldete.
Herausgerechnet sind in diesen Angaben zu den Asylzuwanderern Personen mit dem Status Unerlaubter Aufenthalt. Damit ermöglicht die der Welt am Sonntag vorliegende Sonderauswertung des BKA die bisher genausten Aussagen zur Kriminalitätsbelastung der als schutzsuchenden eingereisten Ausländer.
Denn zwar versucht das BKA schon seit dem Höhepunkt der Migrationskrise vor 5 Jahren die Gruppe der als Asylsuchende eingereisten Ausländer in der Kriminalstatistik unter der Kategorie Zuwanderer gesondert zu erfassen. Doch sind in dieser neben den o.g. Gruppen auch solche mit unerlaubten Aufenthalt enthalten. Dazu zählen neben Personen, die noch kein Asylgesuch stellten oder nach ihrer Ablehnung nicht geduldet wurden auch solche ohne Asylbezug.
Durch die BKA Sonderauswertung lässt sich nun erstens sagen, dass "unerlaubt Aufhältige" in der Gewaltkriminalität keine große Rolle spielen. Zur o.g. schweren Körperverletzung wurden in den letzten 5 Jahren nur 2525 Tatverdächtige mit unerlaubten Aufenthalt ermittelt. 2. Steht damit fest, dass Asylzuwanderer bei schweren Gewalttaten überrepräsentiert sind: Während also jeder 8. Tatverdächtige seit 2015 dieser Gruppe angehörte, umfasste sie höchstens ein Fünfzigstel der Bevölkerung. Beispielsweise lebten Ende 2016 nach dem Höhepunkt der Migrationskrise 1,36 Millionen Asylbewerber, Schutzberechtigte, Kontingentflüchtlinge und Geduldete im Land. Ende 2019 waren es laut Ausländerzentralregister 1,61 Millionen.
Es gilt allerdings zu bedenken, dass die PKS nur die ermittelten Tatverdächtigen registriert und keine Verurteilten Täter. Die verdächtigen werden erfasst, sobald die polizeilichen Ermittlungen abgeschlossen sind und an die Staatsanwaltschaft übergeben werden. Generell stellt die PKS wie jede andere Statistik nur eine Annäherung an die Wirklichkeit und nicht ihr Abbild dar. Beispielsweise werden viele Straftaten nie angezeigt.
Nur zu etwas mehr als jeder zweiten registrierten Straftat können Tatverdächtige ermittelt werden. Dennoch ist die PKS der beste Datensatz, um sich abseits von Einzelwahrnehmungen einen Eindruck von der registrierten Kriminalität zu verschaffen. Als Grundregel gilt: Je schwerer die Straftaten, desto höher die Anzeige und Aufklärungsquoten und desto aussagekräftiger die PKS.
Kriminologen weisen bei Vergleichen der Straffälligkeit von Asylzuwanderern oder anderen Ausländern mit der übrigen Bevölkerung immer wieder auf wichtige Merkmale der verschiedenen Gruppen hin. Zum einen werden Männer wesentlich häufiger kriminell - in der Gruppe der Zuwanderer sind Männer deutlich überrepräsentiert. Zum anderen verweisen Fachleute auf das durchschnittlich jüngere Alter der Zuwanderer. Jeder dritte Tatverdächtige in Deutschland ist zwischen 18 und 29 Jahren.
Unter den Asylerstantragsstellern 2015 bis 2018 waren 36 Prozent in diesem Alter - unter der deutschen Bevölkerung sind es nur 13 Prozent. Allerdings erklärt der Verweis auf Geschlecht und Alter die höhere Gewaltneigung nur teilweise. Es lässt sich eine Überrepräsentanz bei Gewaltdelikten auch dann feststellen, wenn man ausschließlich junge Männer mit und ohne deutschen Pass miteinander vergleicht. Das heißt, soziale und kulturelle Faktoren scheinen noch bedeutsamer zu sein.