Antisemitismusdebatte Landkreistag fordert Abkehr von der doppelten Staatsbürgerschaft

Daniel Delhaes,

Dietmar Neuerer

26.11.2023 - 14:29 Uhr aktualisiert

Die Ampelkoalition will Einbürgerungen erleichtern. Das stößt beim Landkreistag wegen der jüngsten anti-israelischen Demonstrationen auf Vorbehalte.

Gruppenfoto nach der Einbürgerung.
Foto: IMAGO/funke foto services <(btx>

Berlin. Die Pläne für eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts stoßen auf Widerstand beim Deutschen Landkreistag. Die Ampel möchte Einwanderern die deutsche Staatsbürgerschaft künftig deutlich schneller ermöglichen.

Der Präsident des kommunalen Spitzenverbands, Reinhard Sager, begründete seine Vorbehalte mit der Häufung israelfeindlicher und antisemitischer Vorfälle in Deutschland. "Wir finden es richtig, dass auch in Anbetracht der jüngsten Ereignisse nochmals über die angestrebte Absenkung der Voraussetzungen für eine Einbürgerung diskutiert wird", sagte Sager dem Handelsblatt.

Kritisch sieht Sager neben den geplanten kürzeren Wartezeiten für die Einbürgerung auch das Bestreben, die Mehrstaatlichkeit grundsätzlich zu ermöglichen. "Wie derzeit üblich sollte der Verzicht auf die bisherige Staatsangehörigkeit Voraussetzung einer Einbürgerung bleiben", sagte er. Damit sei auch ein Bekenntnis zu Deutschland verbunden. "Regelhaft in zwei Staaten demokratische Rechte, Wahlen und anderes wahrnehmen zu können, fördert die Integration nicht."

Laut Gesetzentwurf der Bundesregierung sollen die Fristen für den Erwerb eines deutschen Passes verkürzt werden. Menschen, die legal in Deutschland leben, sollen den deutschen Pass schon nach fünf Jahren statt wie bisher nach acht Jahren erhalten können.

Bei besonderen Integrationsleistungen soll eine Einbürgerung bereits ab drei Jahren möglich sein, etwa bei herausragenden Leistungen am Arbeitsplatz, beim Spracherwerb oder durch ehrenamtliches Engagement. Mehrstaatlichkeit soll laut dem Gesetzentwurf der Bundesregierung künftig generell akzeptiert werden. Das Kabinett hatte die Reform im August beschlossen, am 1. Dezember soll sie erstmals im Bundestag beraten werden.

Kommunen sehen Wohnsitzauflagen für Asylbewerber kritisch

Auch der FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki wandte sich gegen eine "Absenkung der Kriterien für die Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft". Wie Sager sieht er darin ein Integrationshindernis - vor allem vor dem Hintergrund, dass in den vergangenen Wochen importierter Antisemitismus als "massives Problem" für das gesellschaftliche Zusammenleben definiert worden sei, betonte er. Auch Vertreter der Union übten deutliche Kritik an den Einbürgerungsplänen.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller, sagte dem Handelsblatt: "Die beschämenden Bilder, die in den vergangenen Wochen auf deutschen Straßen in Berlin, Duisburg und andernorts zu sehen waren, zeigen, dass der rot-grüne Kuschelkurs bei der Integration gescheitert ist." Müller stellt Bedingungen an die Einbürgerung von Zuwanderern.

Wer antisemitische Strafraten begehe, dürfe nicht deutscher Staatsbürger werden. Zudem dürften diejenigen, die sich nicht zum Existenzrecht Israels bekennen, keine Bleibeperspektive haben. "In diesem Lichte muss auch über die Möglichkeit gesprochen werden, Straftätern mit doppelter Staatsbürgerschaft die deutsche Staatsangehörigkeit abzuerkennen", betonte der CSU-Politiker.

"Terror-Unterstützern mit Doppelpass muss der deutsche Pass entzogen und ein Aufenthaltsverbot in Deutschland auferlegt werden", so Müller. Dass die Ampel hingegen die deutsche Staatsangehörigkeit noch leichter, als bisher vergeben möchte, sei "das völlig falsche Signal".

Der Städte- und Gemeindebund sieht indes kein generelles Problem im Doppelpass. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg betonte indes, dass die Einbürgerung und damit die Verleihung der deutschen Staatsbürgerschaft "am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses stehen" müsse. "Das ist nicht notwendigerweise eine Frage des Zeitablaufes, sondern hängt wesentlich davon ab, wie schnell und wie sehr sich eine Person in Deutschland integriert hat", sagte er dem Handelsblatt.

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Nach Sagers Vorstellung müssen für die Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit "klare, gehaltvolle und langfristig wirkende Maßstäbe" gelten. "Die betreffende Person muss sich bereits erfolgreich in die deutsche Gesellschaft integriert haben und die Gewähr dafür bieten, die Einbürgerungsvoraussetzungen dauerhaft zu erfüllen", sagt er.

Die Einbürgerung sei "Ausweis eines erfolgreich abgeschlossenen Integrationsprozesses". Notwendig seien hierfür eine "ausreichend lange Aufenthaltsdauer" sowie ein "unzweifelhaftes Bekenntnis" zu Deutschland und seinen Werten. "Derartiges ist sicher nicht der Fall, wenn die Frage judenfeindlicher Ansichten im Raum steht", betonte Sager.

Kubicki hatte sich auch dafür ausgesprochen, stärker von der gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, Asylbewerbern und anerkannten Flüchtlingen vorzuschreiben, wo genau in Deutschland sie wohnen müssen. Städtebundchef Landsberg hält davon wenig.

Wohnsitzauflagen für Asylbewerber seien zwar ein wichtiges Instrument, um eine einigermaßen gleichmäßige Verteilung im Land zu sichern, und nicht einzelne Regionen zu überfordern. Bei anerkannten Flüchtlingen sei das aber "problematisch", sagte er. "Wir wollen sie ja so schnell wie möglich in Arbeit und Brot bringen. Da ist häufig der Standort eines möglichen Arbeitgebers wichtig."

Landsberg gab überdies zu bedenken, dass Flüchtlinge "nachvollziehbarerweise gerne dort hingehen, wo schon andere Landsleute leben und arbeiten". Das sei ein "wichtiger Aspekt für die Integration". "Hier steuernd einzugreifen, um die Entstehung von Problemvierteln zu vermeiden oder zu reduzieren, ist kaum praktikabel." Mehr erreiche man hier mit gezielter Sozialarbeit.

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Quelle: Handelsblatt