Die Tat löste bundesweit Entsetzen aus: Eine Videokamera hielt fest, wie im Herbst 2016 am U-Bahnhof Hermannstraße ein Mann an einer Treppe einer Frau einen wuchtigen Tritt in den Rücken versetzt. Die Frau stürzt die Stufen herab, erleidet einen Armbruch und eine Platzwunde am Kopf.
Die Berliner Polizei setzt alles in Bewegung, um den Täter zu ermitteln. Zielfahnder finden den 28-jährigen Svetoslav S. in seiner Heimat nahe Sofia, wo er von der bulgarischen Polizei verhaftet wird.
Diese Tat habe das Sicherheitsgefühl der Allgemeinheit erheblich beeinträchtigt. So sagt es die Vorsitzende Richterin am Landgericht, die über den "U-Bahn-Treter" urteilt. Die Staatsanwaltschaft beantragte wegen gefährlicher Körperverletzung drei Jahre und neun Monate Haft. Das Strafgesetzbuch sieht dafür sechs Monate bis zehn Jahre Haft vor. Das Gericht verhängt nur zwei Jahre und zehn Monate. Ein psychiatrischer Gutachter hatte dem Täter mangelnde Affektkontrolle bescheinigt, verstärkt durch Drogenkonsum. Svetoslav S. sei in Armut aufgewachsen und vom Vater geschlagen worden. Er hatte also eine schlechte Kindheit. Das Gericht gibt noch einen weiteren Monat Haft drauf, weil der Angeklagte zwei Wochen vor dem Angriff auf offener Straße vor einer Frau masturbiert hatte.
März 2017:Eine Joggerin wird in Prenzlauer Berg von hinten mit einem Ziegelstein niedergeschlagen. Als sie zu Boden geht, schlägt der Täter mit dem Stein weiter auf sie ein, er tritt gegen Kopf und Schulter. Dann raubt er der Frau das Smartphone. Sie erleidet einen Kieferbruch und Brüche an der Hand. Wegen der außergewöhnlichen Brutalität rechnet das Amtsgericht Tiergarten ihm die acht Monate, die er in Untersuchungshaft saß, an. Es verurteilt den türkischen Schläger zu Sozialstunden und zwei Jahren Haft - auf Bewährung, sodass er frei aus dem Gericht spaziert. Bei Jugendstrafen steht der "Erziehungsgedanke" im Vordergrund, nicht die Sühne. Bewährungsstrafe gilt in diesen Kreisen allerdings als Freispruch.
Beide Opfer dieser Taten sind bis heute schwer traumatisiert. Monatelang sei sie nicht mehr aus dem Haus gegangen, sagte die Frau, die die Treppe heruntergestoßen wurde.
Noch mehr solcher Beispiele von Gewalttaten, die die Gesellschaft erschüttern? Die Liste ließe sich fortsetzen, quer durch Berlin und Deutschland. Etwa über Magdeburg, wo der aus Saudi-Arabien stammende Arzt Taleb Al Abdulmohsen in den Weihnachtmarkt raste, sechs Menschen tötete und Hunderte verletzte. Dessen Hass auf Deutschland war vielen lange bekannt. Er konnte sein mörderisches Werk vollenden, weil sich seine Chefs nicht trauten, ihn den Behörden zu melden - aus Angst, als Rassist zu gelten.
Die Liste der Taten, die die Gesellschaft nicht nur erschüttern - sondern verändern - reicht bis in den August 2025: Vergangenes Wochenende wurde in einer Straßenbahn in Dresden ein amerikanischer Student Zeuge, wie zwei Männer Frauen belästigten. Als er einschritt, prügelten die beiden auf ihn ein. Einer schlitzte ihm mit einem Messer das Gesicht auf und flüchtete. Der Komplize, der "nur" Frauen belästigt und den Helfer geschlagen haben soll, wurde von der Staatsanwaltschaft sofort wieder auf freien Fuß gesetzt. Man hat offenbar nicht einmal erwogen, den Syrer einem Haftrichter vorzuführen. Erst, als die Videoaufnahmen aus der Tram neu ausgewertet wurden, nahm man ihn am Dienstag erneut fest.
So war es neulich auch in Berlin. Als im Mai ein Mann vor einem Neuköllner Polizeiabschnitt mit einem Messer hantierte und damit Polizeiautos beschädigte. Als ein Polizist ihn aufhielt, wurde er mit dem Messer lebensgefährlich am Hals verletzt. Die Polizei und die Staatsanwältin beschlossen, ihn gar nicht erst einem Haftrichter vorzuführen. Sie sahen es als aussichtslos an. Der Eindruck werde erweckt, dass der Kollege ins Messer gefallen und selbst für seine lebensgefährlichen Verletzungen verantwortlich sei, wetterte danach die Gewerkschaft der Polizei.
Eine Untersuchungshaft ist keine Strafhaft, sondern dient der Sicherstellung des Gerichtsverfahrens. Die Beschneidung der Freiheit eines Menschen ist der schlimmste Eingriff in die Grundrechte. Deshalb sind Staatsanwälte und Richter aus gutem Grund vorsichtig. Einer der Haftgründe kann Fluchtgefahr sein wegen der Höhe der zu erwartenden Strafe. Doch da das Strafmaß ohnehin kaum ausgeschöpft wird, dürfte sich dieser Haftgrund oft von selbst erledigen.
Dabei stieg laut Bundeskriminalamt die Gewaltkriminalität in Deutschland im vergangenen Jahr auf 217.277 Fälle an - ein neuer Höchststand seit 2015. Zu 29.014 Straftaten erfasste das BKA einen "Messerangriff". 54,3 Prozent davon entfallen auf Gewaltkriminalität, 43,3 Prozent auf Bedrohung und 2,4 Prozent auf sonstige Straftaten, wie beispielsweise Widerstand gegen und tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte sowie Nötigung. Über ein Drittel der Tatverdächtigen besitzt keine deutsche Staatsangehörigkeit - auch hier ein Anstieg von 7,5 Prozent zum Vorjahr.
Seit 2015 nimmt die Gewalt zu. Und so stellt sich die Frage, warum Staatsanwälte und Gerichte die rechtlichen Möglichkeiten oft nur am untersten Rand ausschöpfen. Es ist längst an der Zeit, gegen die ausufernde Gewalt andere Register zu ziehen.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft und die Berliner Initiative Sichere Stadt e.V. haben in dieser Woche eine Petition gestartet. Sie setzen sich für eine Verschärfung des Strafrechts ein: Wer eine potenziell tödliche Waffe gegen einen anderen Menschen einsetzt und dadurch fahrlässig oder vorsätzlich eine Verletzung von Menschen herbeiführt, soll mit mindestens drei Jahren Haft bestraft werden.
Tatsächlich versteht eine bestimmte Täterklientel nur diese harte Sprache. Dazu gehört auch, dass der Staat endlich wieder handlungsfähig wird, ausländische Straftäter konsequent in ihre Heimatländer abschiebt und Einreiseverbote für Leute wie den "U-Bahn-Treter" verhängt. Sonst schaffen wir das nicht.