Alleine 6221 Attacken in NRW Die Wahrheit über Messer-Männer

Luisa Volkhausen

06.06.2024 - 11:29 Uhr

"Man ist eigentlich hilflos", sagt Psychologe und Kriminologe Professor Friedrich Lösel (Uni Erlangen & Uni Cambridge) über die zunehmende Messer-Gewalt.

Alleine in NRW stieg die Zahl von Messer-Attacken im letzten Jahr laut polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) um fast 50 Prozent: Von 4191 Taten 2022 auf 6221 im letzten Jahr.

Fast 9000 Messerangriffe gab es im letzten Jahr in Deutschland - das sind mehr als 20 jeden Tag
Foto: imageBROKER/Getty Images

Das berichtete der "Spiegel" vorab, NRW-Innenminister Herbert Reul (71, CDU) wird die Zahlen am Donnerstag im Innenausschuss des Düsseldorfer Landtags vorstellen.

Kriminologe kritisiert: "Wir bekämpfen nur die Symptome"

Schnelle Maßnahmen, die gegen die Gewalt-Explosion helfen? Gibt es nicht, sagen Experten.

"Messerverbote an bestimmten Orten sind nur ein Ausdruck von Hilflosigkeit. Reiner Aktionismus, sonst nichts", so Lösel. "Wie sollte man solche Verbote auf nicht abgesperrten Straßen und Plätzen kontrollieren?"

Der Experte kritisiert, dass der Regierung eine wirkliche Strategie fehlt, sagt: "Wir bekämpfen wieder einmal nur die Symptome."

Ein Messer bei sich zu haben, gilt als männlich

Der Kriminologe sagt über Messerangriffe: "Es gibt zumindest ein grobes Täter-Profil. Gerade in arabischen Ländern ist es für Männer üblich, ein Messer bei sich zu haben. Das ist männlich. Aber natürlich ist auch in diesen Kulturen nur ein kleiner Teil von vielleicht fünf Prozent wirklich gefährlich."

Besonders gefährlich werde es, wenn die Männer "leicht aus der Fassung gebracht werden können. Wenn sie impulsiv sind, sich benachteiligt fühlen, und eine Beleidigung ihres Glaubens und Gottes wahrnehmen. Auch psychische Störungen können eine Rolle spielen." Lösel: "Dann ist die Gefahr einer Eskalation groß. Aber es gibt bei diesem Profil nicht nur spontane, sondern auch geplante Messerattacken. Dann steigert sich die Wut schon vorab, z. B. über das Internet."

Und er mahnt: "Wenn der Zugang zu Schusswaffen in Deutschland so leicht wäre wie in den USA, würden die Täter auch zu Pistolen statt Messern greifen."

Radikalisierungsprävention, Risikodiagnostik und Integrationsmaßnahmen sind laut dem Experten langfristige Möglichkeiten, um die Gefahren effektiver einzudämmen.

Doch Lösel sagt auch: "Alle wird man nie erreichen. Wer sich radikalisieren will, schafft das auch."

Die häufigsten Fälle von Messerangriffen sind Fälle von häuslicher Gewalt

Professor Martin Rettenberger, Direktor der Kriminologischen Zentralstelle, erklärt zu der Messer-Gewalt aber auch: "Es gibt viele unterschiedliche Tat-Konstellationen. Angriffe durch unbekannte Personen im öffentlichen Raum - wie auch zuletzt in Mannheim - sind dabei sehr selten. Deutlich häufiger kommt es im Rahmen von häuslicher Gewalt zu Messerangriffen." Gerade hier komme zu den bekannten Taten noch eine große Dunkelziffer hinzu.

Entscheidend für die hohe Zahl: "Messer sind einfach verfügbar. Das erklärt auch, dass viele Taten spontan passieren."

Weil die Messer-Gewalt so vielfältig ist, sei es auch schwierig, sie effektiv zu bekämpfen, so Rettenberger. Er sagt: "Es gibt kein Universalmittel."


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