Star-Autor Ferdinand von Schirach: AfD-Verbot wäre "zutiefst undemokratisch"

Josef Nyary

17.11.2025 - 09:04 Uhr

Er ist Enkel von Hitlers Reichsjugendführer Baldur von Schirach. Er würde nie die AfD wählen. Verbieten will er sie auch nicht. Bei Caren Miosga (56) hat der renommierte Jurist und Bestseller-Autor Ferdinand von Schirach (61) jetzt erklärt, warum. Die wichtigsten Argumente.

Bestseller-Autor Ferdinand von Schirach (61)

Von Schirach über das Verfassungsschutz-Gutachten von 2024 als mögliche Grundlage für AfD-Verbot: "So viel kommt da nicht bei raus. Man ist irgendwie schockiert über dieses völkische Gefasel, über dieses ganze blöde Zeug, was die dauernd sagen, und über diese Entgleisungen. Aber dass man tatsächlich eine echte Verfassungsfeindschaft dort findet, das ging mir zumindest nicht so. Das, was wir haben, scheint mir zumindest nicht auszureichen für ein Parteienverbot."

Von Schirach will die AfD nicht verbieten

Von Schirach über missliche Folgen: "Ein AfD-Verbot ist eine Pleiteerklärung für die Partei, die es einreicht. Ein Offenbarungseid: Wir haben es nicht geschafft, den Wählern dieser Partei ein Angebot zu machen, dass sie uns wählen können. Jetzt wird so getan, als wäre es etwas ganz Tolles, ein AfD-Verbot zu haben. Das ist es nicht. Es ist etwas zutiefst Undemokratisches, weil man den demokratischen Konkurrenten verbietet. Man sagt einfach: Der ist nicht demokratisch, deshalb verbieten wir ihn."

Caren Miosga (56) mit Star-Autor Ferdinand von Schirach in der Sendung vom 16. November
Foto: ARD

Wenn Politiker lügen, schwindet das Vertrauen

Über die AfD: "Das Problem ist, dass die Leute kein Vertrauen mehr haben. Und das nicht vorhandene Vertrauen führt dazu, dass sie die AfD wählen. Das sind in großen Teilen keine Protestwähler und auch keine verrückten Verschwörungstheoretiker, sondern das sind Leute, die von der Politik enttäuscht sind."

Über Bundespräsident Frank-Walter Steinmeiers (69) umstrittene Analyse zum 9. November: "Seine Rede scheint mir nicht wahnsinnig klug gewesen zu sein. Sie wurde gehalten vor lauter Leuten, die ohnehin im Lager von Steinmeier stehen. Es war so eine Rede, wo man den Feind außen hat und man sitzt gemütlich am Lagerfeuer und man kriegt dann auch viel Applaus."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei seiner Rede am 9. November im Schloss Bellevue
Foto: Maryam Majd/Pool AP/dpa

"Bürgergeld ist falsch angepackt worden"

Von Schirach über die aktuell gefährlichsten Probleme: "Wir haben mittlerweile 50 Prozent der Verwaltungsrichter ausschließlich mit Asylverfahren beschäftigt. Das kann auf Dauer nicht gut gehen. Und das Bürgergeld ist vollkommen falsch angepackt worden, weil man gesagt hat, man spart Geld. Es geht beim Bürgergeld nicht um Geld, sondern es geht um Gerechtigkeit!"

Von Schirach zur starken Rolle der SPD: "Koalitionen, in denen eine Partei, die nur noch 16 Prozent hat, bestimmt, was gemacht wird, gehen schief. Es ist vielleicht eine Definition von Dummheit, immer wieder das Gleiche zu machen und jedes Mal ein anderes Ergebnis zu erwarten. Wenn wir uns nicht zusammenreißen und sagen, wir erneuern das System, wird's nix."

Der Jurist über die aktuelle Kritik an der Bundesregierung: "Natürlich lügen Politiker dauernd. Das müssen sie auch tun. Das geht gar nicht anders, und das ist auch nichts Neues. Das Problem dabei ist, dass unser Vertrauen im Moment extrem gefährdet ist. Die Menschen sind misstrauisch. Nur noch 49 Prozent glauben, dass die Demokratie gut funktioniert. Und wenn Vertrauen so erschüttert ist, ist die Lüge etwas viel Gefährlicheres."

Über die Gründe: "Wann wird das Vertrauen in die Politik erschüttert? Wenn etwas versprochen und nicht gehalten wird. Wenn Handeln der Politiker als ungerecht empfunden wird. Und wenn Probleme nicht wirklich benannt werden, also wenn Dinge nicht beim Namen genannt werden. Und alle drei Dinge sind passiert. Wir haben einen Kanzler, der dauernd etwas verspricht, was er überhaupt nicht halten kann."

Reformvorschlag: Kanzler für sieben Jahre

Von Schirachs ungewöhnlicher Lösungsvorschlag: "Machen Sie eine große Grundgesetz-Reform. Der Kanzler wird für sieben Jahre gewählt, dann nicht mehr. Alle Landtagswahlen am selben Tag, nach dreieinhalb Jahren. Der Kanzler hat die Möglichkeit, drei Gesetze in diesen sieben Jahren ohne das Parlament zu verabschieden; das Bundesverfassungsgericht prüft sie, bevor sie in Kraft treten. Das Parlament hat nach drei Jahren die Möglichkeit, diese Gesetze wieder abzuschaffen. Nur so würden Sie so schwierige Sachen wie eine Rentenreform hinbekommen."

Von Schirachs eindringliche Warnung: "Wenn wir die Demokratie nicht reformieren, ist es demnächst zu Ende, weil wir geschluckt werden von anderen Ländern, die einfach viel schneller sind. In einer Krise ist ein Autokrat sehr viel schneller und effektiver. Wir wollen keine Autokraten, wir wollen die Demokratie, aber wir müssen die Demokratie verbessern."


Quellen: