FOCUS-Online-Reporter Göran Schattauer (Gera)
Samstag, 11.07.2020,
Stephan Werner ist ein freundlicher, bescheidener Mensch. Er ist ein Held. Der 36-Jährige hat etwas getan, was wahrscheinlich die wenigsten von uns tun würden. Er hat anderen Menschen das Leben gerettet und dafür sein eigenes riskiert. Natürlich hatte er Angst. Große Angst sogar. Aber sein Gewissen sagte ihm: Du musst das jetzt tun! Du musst helfen!
Also rannte er auf den Messerstecher und seine aggressiven Kumpels zu. In T-Shirt, Boxershorts und Badelatschen. In einer kalten Winternacht. Er stoppte die Gewalttäter und zog die schwer verletzten Opfer in den Hauseingang. Er drückte ihnen Tücher auf die blutenden Wunden im Gesicht. Er zeigte den eintreffenden Polizisten, wo die Angreifer waren.
Nur die Polizei hat ihn mal kontaktiert, um seine Aussage aufzunehmen. Und vor kurzem hat er Post vom Landgericht Gera bekommen. Er ist als Zeuge geladen für den Prozess, der am 22. Juli beginnt. Drei Verhandlungstage hat die Kammer eingeplant, um den Messer-Angriff aufzuklären. Die Tatvorwürfe gegen die drei Angeklagten im Alter von 15, 19 und 21 Jahren lauten: versuchter Totschlag, schwere Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung.
Die Bluttat im Osten Thüringens hat viele Menschen deutschlandweit erschüttert. Die Aufregung, die Anteilnahme, die Wut waren groß. Doch nach gut fünf Monaten ist der Kriminalfall aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden.
Nicht so bei Stephan Werner. Ihm ist die Tat noch sehr präsent, jedes Detail. Er bekommt Gänsehaut, wenn er davon erzählt, beginnt zu schwitzen, reibt sich die Unterarme. Und selbst wenn er an etwas ganz anderes denken will, nachts im Bett, verfolgen ihn die Geschehnisse.
Dann sieht er wieder zerschnittene Gesichter, hört Schreie, sieht Blaulichter zucken. Jeden Tag geht er an den eingetrockneten Blutflecken der Opfer in der Hauseinfahrt vorbei. "Es ist nicht einfach, davon loszukommen", sagt der 36-Jährige dem FOCUS-Online-Reporter. "Die Bilder holen mich immer wieder ein."
Stephan Werner arbeitet in einem der besten Restaurants von Gera, mit knapp 100.000 Einwohnern drittgrößte Stadt Thüringens. Am 9. Februar 2020 hat er viel zu tun. Es ist samstags, das Lokal gut besucht. Nach einem harten Tag kommt er gegen 23.45 Uhr nach Hause, wo seine Freundin ihn erwartet. Stephan Werner ist platt, müde. Er zündet sich eine Zigarette an und lässt sich in den Sessel fallen. Zuvor öffnet er das Fenster, damit der Qualm besser abziehen kann.
Kaum hat er sich hingesetzt, hört er draußen ein schepperndes Geräusch, gemischt mit unverständlichem Gebrüll. Er geht zum Fenster und sieht hinunter auf die Straße. Es ist dunkel. Im Lichtkegel der Laternen sieht er drei Gestalten, junge Männer. Sie sind außer Rand und Band.
"Die haben vor einem Fernseh-Geschäft randaliert", erinnert sich Stephan Werner und fügt hinzu: "Sie waren außergewöhnlich aggressiv. Ihr Verhalten war beängstigend." Die Männer treten mit voller Kraft gegen Autos und springen mit Anlauf gegen eine Schaufensterscheibe. Ihre Körper donnern gegen das Glas, sie brüllen etwas auf Arabisch.
Kurz darauf scheint der Spuk vorbei, die Männer ziehen weiter stadteinwärts. Doch schon ein paar Augenblicke später schreckt Stephan Werner erneut auf. Er hört eine Frau verzweifelt schreien: "Hilfe, Hilfe, helft uns, der hat ein Messer!" Wieder springt der 36-Jährige hoch und schaut aus dem Fenster auf die gegenüberliegende Straßenseite.
Stephan Werner sieht, dass die drei Randalierer ihre Gewalttaten offenbar fortsetzen - diesmal gegen Menschen. Er erkennt, dass jemand rücklings auf dem Fußweg liegt. Einer der Krawallmacher steht direkt über ihm, holt mit dem rechten Arm weit aus und zieht seine Faust über das Gesicht des am Boden Kauernden.
Stephan Werner erkennt sofort, dass die Situation sehr bedrohlich ist. Er ruft seiner Freundin zu, sie solle die Polizei holen. Er selbst entschließt sich spontan, dem Opfer zu helfen - und rennt aus der Wohnung, bekleidet nur mit Boxershorts und T-Shirt, mit Badeschuhen an den Füßen.
An der Tür schnappt er sich noch ein etwa 50 Zentimeter langes, etwa drei Zentimeter starkes Rundholz. Ein Softballschläger, den er als Jugendlicher zum Spielen benutzt hat. Jetzt steht er aus Sicherheitsgründen neben der Wohnungstür. "Bei mir wurde schon eingebrochen, obwohl ich zuhause war", berichtet der Geraer. Er verabscheut Gewalt, geht ihr aus dem Weg. Er will einfach in Frieden leben.
Stephan Werner könnte den Fahrstuhl nehmen. Aber er will keine Zeit verlieren. So schnell er kann, rennt er die Treppen runter, drei Stockwerke. Nur einmal hält er kurz inne. "Für einen Augenblick habe ich mich gefragt, ob ich gerade das Richtige mache." Er hat einen tollen Job, eine schöne Wohnung, eine feste Freundin, eine gute Zukunft. Sollte er dies alles jetzt aufs Spiel setzen?
"Mir war klar, dass ich die Person da unten aus ihrer Notlage befreien wollte", sagt Stephan Werner. "Aber natürlich wusste ich auch, was passieren kann, wenn man jemandem helfen will und dann selbst angegriffen wird." Doch in diesem Moment ist ihm das egal. "Der Hilfeschrei ging durch Mark und Bein. Ich hatte keine Wahl. Ich musste dort runter."
Stephan Werner reißt die schwere hölzerne Haustür auf, dreht sich nach rechts und rennt Richtung Tatort. Die panischen Hilfeschreie der jungen Frau hallen durch die Häuserschlucht, einer der Randalierer steht noch immer über seinem Opfer und lässt seiner Gewalt freien Lauf. "Ich bin auf die Männer zugestürmt", sagt Stephan Werner. "Ich habe geschrien: Was soll das hier? Hört auf damit! Lasst die Leute in Ruhe!"
Um den Tätern zu zeigen, dass er zu allem entschlossen ist, reckt er seine Faust mit dem Holzstock hoch.
Der Kleinste der drei Aggressoren - er trägt Klamotten und Schuhe von Adidas - lässt plötzlich von seinem am Boden liegenden Opfer ab. Dem Mann gelingt es, sich aufzurappeln und in Richtung von Stephan Werner zu fliehen. Auch sein Freund, der ebenfalls angegriffen wurde, und die Frau, die um Hilfe geschrien hat, suchen Schutz in Stephan Werners Nähe.
Der Retter erinnert sich: "Die beiden Männer hatten tiefe Schnittwunden im Gesicht und taumelten. Sie standen unter Schock. Ich habe sie angesprochen, aber es kam keine Reaktion."
Erst beim Anblick der zerschnittenen Gesichter wird Stephan Werner klar, wie brutal die Gewalttäter sind. Hatte er anfangs noch geglaubt, zur Not würde er mit ihnen kämpfen, verwirft er diesen Gedanken nun wieder. Die Zeit drängt. Denn die Täter gewinnen wieder Oberwasser. Sie beginnen wild zu gestikulieren und zu schreien, schließlich traben sie auf Stephan Werner und die anderen zu. Offenbar wollen sie weitermachen.
Geistesgegenwärtig zieht Stephan Werner die beiden Opfer und deren Begleiterin in den Eingang seines Hauses. Er schreit: "Rein jetzt, schnell kommt rein!" Mit dem Fuß kickt er die Tür zu. Aus den Gesichtern der Männer tropft Blut.
Stephan Werner sprintet die Treppen hoch und muss zusehen, dass er dabei nicht seine Badeschuhe verliert. Er greift nach zwei Handtüchern, die er den Schwerverletzten bringt, damit sie ihre Wunden abdrücken können. Dann sieht er durch die Glaseinsätze der Haustür blaues, kreisendes Licht.
"Ich bin sofort raus, habe gewunken und den Polizisten entgegengeschrien: Die Opfer sind hier!" Und auch zu den Tätern kann er die Beamten führen. Sie laufen relativ ruhig weg und sind vielleicht 100 Meter entfernt vom Tatort. Er zeigt auf sie: "Die drei da vorne", sagt er den Polizisten, "die waren es". Sie werden sofort festgenommen, wenig später kommt der erst 15 Jahre alte Hauptverdächtige in Untersuchungshaft.
Die Ermittlungen werden ergeben, dass der polizei- und justizbekannte Syrer Mohammad D. seine Opfer mit einem Cuttermesser angegriffen hatte, dessen Klinge etwa drei Zentimeter herausgeschoben war.
Felix T. (28 Jahre alt, Entwicklungsingenieur bei einer weltweit tätigen Maschinenbaufirma) erlitt eine 13 Zentimeter lange und zwei Zentimeter tiefe Schnittwunde an der linken Wange. Sein Freund (34 Jahre alt, Dozent an einer Fachhochschule) eine tiefe Schnittwunde von der linken Schläfe bis hinter das linke Ohr. Beide mussten operiert werden. Bleibende Schäden sind nicht auszuschließen.
Stephan Werner selbst hat das Messer nicht gesehen, nur die ausholenden Armbewegungen des Angreifers. "Ich denke, es wäre noch schlimmer geworden, wenn ich nicht gekommen wäre", sagt der 36-Jährige zu FOCUS Online. "Die Opfer lagen schon schwer verletzt am Boden. Und die Täter haben nicht abgelassen von denen. Die hätten wahrscheinlich erst aufgehört, wenn sich bei den Opfern nichts mehr gerührt hätte."
Nachdem die Rettungswagen und auch das letzte Polizeiauto weg sind, geht Stephan Werner langsam die Treppen hoch in seine Wohnung. Noch immer steht er "unter Strom". Er zittert. "Normalerweise trinke ich keinen Alkohol, maximal ein Radler", sagt er. Nach diesem fürchterlichen Erlebnis braucht er einen Grappa, um sich zu beruhigen.
Stephan Werner hat viel Dankbarkeit erfahren für seinen mutigen Einsatz. Nicht von der Politik oder Medien, sondern von den Opfern und deren Familien, von den Nachbarn, von der Ladenbesitzerin um die Ecke. "Die haben sich ehrlich gefreut und gesagt, dass das nicht jeder machen würde."
Aber warum hat er es gemacht? Warum hat er sein eigenes Leben riskiert, um das Leben anderer zu retten?
"Weil ich so erzogen worden bin", sagt Stephan Werner. Seine mittlerweile verstorbene Großmutter habe ihm immer gesagt: "Junge, wenn andere wegschauen, darfst du dich nicht wegducken." An diesen Satz hat er sich im entscheidenden Moment erinnert.
Hinzu kommen leidvolle Erfahrungen: Stephan Werner wurde zweimal in seiner eigenen Wohnung überfallen. Einmal schlugen ihn die Täter, offenbar Drogensüchtige, krankenhausreif. "Ich weiß, wie es ist, wenn man in einer solchen Situation steckt und keine Hilfe bekommt."
Über den Messer-Angriff vor seiner Haustür sagt er: "Nach den Hilfeschreien habe ich mir gedacht: Wenn da jetzt was Schlimmes passiert und du greifst nicht ein, das verzeihst du dir nie." Im Nachhinein hat Stephan Werner erfahren, dass viele Leute an ihren Fenstern standen und die Szenen beobachtet haben. Geholfen hat niemand. Außer ihm.
Stephan Werner sieht sich nicht als Held. Er habe in einer extremen Situation nur das getan, was man eben tun müsse - "den Schwachen helfen". Er sagt: "Ich bin kein Egoist, der nur an sich denkt". Das sei alles. Auf die Frage, ob er in einer ähnlichen Lage wieder so handeln würde, zögert er keine Sekunde: "Definitiv".
Bis heute fragt sich Stephan Werner, was in den Tätern vorgegangen sein mag, vor allem in dem jungen Syrer, der zugestochen hat. Er findet keine Antwort. Ihm ist jedoch wichtig, dass der Angreifer und seine Komplizen angemessen bestraft werden. "Die gehören hinter Schloss und Riegel", findet er. "So darf man sich nicht verhalten. Egal, ob man hier geboren wurde oder nicht."
So erschütternd die Bluttat von Gera und ähnliche Verbrechen in ganz Deutschland auch sein mögen - einen Fehler dürfe man bei der Beurteilung nicht machen, meint Stephan Werner: "Man darf nicht alle Ausländer in einen Topf werfen."
In einem Restaurant habe er einmal einen Lehrling aus Syrien gehabt. Der junge Mann habe genau gewusst, was richtig und was falsch sei und sich an die deutschen Regeln gehalten. "Der ist ein guter Mensch. Für den würde ich meine Hand ins Feuer legen."
FOCUS-Online-Reporter Göran Schattauer
Mittwoch, 29.07.2020, 15:32
Im Prozess um einen brutalen Messer-Angriff Anfang Februar 2020 im thüringischen Gera sind an diesem Mittwoch die Urteile gefallen. Das Landgericht Gera verurteilte den erst 15 Jahre alten Haupttäter Mohammad D. aus Syrien wegen versuchten Totschlags zu fünf Jahren Jugendstrafe.
In ihrem Plädoyer sprach die Anklagevertreterin Doreen Bergemann von einem "puren Gewaltgeschehen", das ihr während der gesamten dienstlichen Laufbahn "noch nicht begegnet" sei. Das Urteil gegen den notorischen Kriminellen Mohammad D. müsse auch dazu dienen, die "Sicherheit der Allgemeinheit" wiederherzustellen.
Für die beiden anderen Angeklagten forderte die Staatsanwältin jeweils anderthalb Jahre Haft auf Bewährung. Außerdem sollten alle drei Angeklagten jeweils 1500 Euro an jeden der beiden Geschädigten sowie an die Freundin des einen Opfers zahlen. Die junge Frau war von dem Trio ebenfalls attackiert worden, blieb aber unverletzt.
Die 2. Strafkammer unter dem Vorsitzenden Richter Berndt Neidhardt sah es als erwiesen an, dass die drei Einwanderer in der Nacht des 9. Februar 2020 in der Geraer Innenstadt zwei deutsche Männer angegriffen und schwer verletzt hatten. Der Haupttäter Mohammad D. fügte ihnen mit einem Cuttermesser tiefe Schnittwunden im Gesicht zu. Die Opfer mussten operiert werden und leiden bis heute unter den Folgen des Überfalls.
Mohammad D. - er wurde 2014 bei einem Bombenangriff in Syrien am Unterleib verletzt und kam mit seiner Mutter nach Deutschland - gilt als Intensivtäter. Das Amtsgericht Gera hatte den psychisch auffälligen Jugendlichen bereits im Frühjahr 2019 wegen rund 130 Straftaten zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt.
Die Entscheidung wurde jedoch nicht rechtskräftig, weil der Angeklagte Rechtsmittel einlegte und plötzlich einen syrischen Ausweis präsentierte. Dem Pass zufolge wurde er am 1. Januar 2005 geboren. Demnach war er im Tatzeitraum 2017/2018 noch keine 14 Jahre alt und somit strafunmündig. Nach fast einjähriger Untersuchungshaft wurde er im Oktober 2019 freigelassen. Wenige Monate später kam es zu dem verhängnisvollen Messer-Angriff in Gera.
Dass Felix T. (29) und Robert L. (35) die Gewalttat überlebt haben, verdanken sie dem mutigen Handeln eines Anwohners, der den nächtlichen Angriff zufällig von seinem Fenster aus beobachtet hatte. Spontan eilte der Zeuge Stephan Werner (36) aus dem Haus, stoppte das Täter-Trio und brachte die Opfer in Sicherheit.
FOCUS Online hatte exklusiv über das Eingreifen des Mannes berichtet und damit deutschlandweit eine Welle des Dankes und der Anerkennung für den "Helden von Gera" ausgelöst. Aufgrund des Artikels meldeten sich erstmals auch Politiker wie der Oberbürgermeister von Gera, Julian Vonarb (parteilos), bei Stephan Werner und würdigten dessen Einsatz. Ob es eine offizielle Ehrung geben wird, steht unterdessen noch nicht fest.
Die Verurteilungen der Täter nach nur drei Prozesstagen löste bei den Opfern und deren Familien Erleichterung aus.
Der renommierte Opferanwalt Jens Rabe aus Waiblingen (er vertrat unter anderem Hinterbliebene des Amoklaufs von Winnenden und der NSU-Terrorserie) erklärte gegenüber FOCUS Online: "Es ist gut, dass nun ein juristischer Schlussstrich gezogen wurde. Klar ist aber auch, dass die Opfer und Angehörigen noch lange mit den Folgen der Tat zu kämpfen haben."
Seine Kollegin, die Hamburger Rechtsanwältin Jutta Heck, wandte sich kurz vor der Urteilsverkündung direkt an Mohammad D.: "Sie sollten lange Zeit haben, darüber nachzudenken, warum sie drei junge Menschen so schwer fürs Leben gezeichnet haben."
Wie der Gewaltexzess sein Leben veränderte, hatte Felix T. bereits am ersten Prozesstag eindrücklich geschildert. Bis heute verläuft eine mehr als 13 Zentimeter lange Narbe über seine linke Gesichtshälfte. "Meine Oberlippe ist völlig taub", sagte der Maschinenbau-Ingenieur vor Gericht. "Da können Sie mit der Nadel reinstechen, ich würde es nicht merken."
Durch die Verletzung könne er nicht mehr richtig lächeln. Das sei für ihn schwer. Wenn er sich mit anderen Menschen unterhalte, schauten die ihm nicht in die Augen, sondern auf seine Narbe. Er fühle sich "für immer gebrandmarkt", so Felix T. In Corona-Zeiten helfe ihm das Tragen einer Schutzmaske. Doch im Gegensatz zu seiner Maske könne er die Narben nicht einfach ablegen. "Die bleiben ein Leben lang."
Seine 25-jährige Freundin Cora R., die in der Tatnacht mit dabei war, sagte als Zeugin vor Gericht: "Ich habe Angst, auf die Straße zu gehen, vor allem nachts. Ich fühle mich nicht mehr sicher." Seit dem Messer-Angriff habe sie Albträume und leide unter Verlustängsten, so die Studentin. Über die eigentliche Attacke sagte sie: "Die Täter gingen immer wieder neu auf uns los. Die kamen mir vor wie im Blutrausch." Sie berichtete, der Messer-Angreifer sei "wie ein blutrünstiges Tier" auf ihren Freund zugerannt. Die Gesichter der Täter beschrieb sie als "hasserfüllt".
Zwei der Angeklagten hatten die Vorwürfe im Prozess eingeräumt. So erklärte Ali Sina M. aus Afghanistan, die drei Kumpels hätten in den Stunden vor der Tat viel Alkohol getrunken ("Wir waren sehr besoffen") und seien nachts zu einer Tankstelle gelaufen, um noch mehr Wodka zu kaufen. In der Innenstadt sei es "plötzlich zu dieser Auseinandersetzung gekommen". Er habe noch versucht, irgendwie zu schlichten und den Hauptangeklagten Mohammad D. von seiner Tat abzuhalten. "Ich hatte keine Ahnung, dass er ein Messer dabei hat", sagte der 21-Jährige.
Auch der aus dem Iran stammende Ramin N. (19) hatte ein Geständnis abgelegt. Er gab zu, das spätere Opfer Felix T. beim Vorbeilaufen auf dem Gehweg absichtlich angerempelt, beleidigt ("Ich ficke Deine Mutter") und geschlagen zu haben. Diese Szene war der Auslöser für den unmittelbar danach erfolgten Messer-Angriff. Das Gericht hatte keine Zweifel, dass der 15-jährige Mohammad D. zugestochen hat. Am blauen Griff des Cuttermessers fanden sich seine DNA-Spuren.