1,7 Milliarden aus Immobiliendeal verjubelt: Dresden vor dem Kollaps Wie Maßlosigkeit und Missmanagement der Verantwortlichen eine Großstadt vom Musterschüler zum Sorgenkind machten.

Michael Deutschmann Dresden

12.09.2024 - 19:01 Uhr

Der Brückenkollaps von Dresden entsetzt Deutschland. Bilder, welche die zusammengestürzte Carolabrücke im Fluss zeigen, vermutete man bislang eher in instabilen Entwicklungsländern oder maximal in Italien. Nun aber Dresden. Elbflorenz, die Perle Sachsens, Kunst und Kulturstadt.

Niedergang einer Großstadt. Politisch verantwortlich: Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP, r.), Verkehrsbürgermeister Stephan Kühn (Grüne)
Foto: Robert Michael/dpa

So überrascht sich die Verantwortlich der Stadt auch geben - das Fiasko steht symbolisch für den Niedergang einer deutschen Großstadt. Verantwortlich: politische Entscheidungsträger in der Verwaltung mit ihrem Oberbürgermeister Dirk Hilbert (52, FDP) und Baubürgermeister Stephan Kühn (45, Grüne) an der Spitze. Ihr Markenzeichen: teure Prestigeprojekte, bizarre Eskapaden, Orchideenthemen und alberne Verkehrsversuche.

Vom Musterschüler zum Pleitekandidaten

Der "Verkehrsversuch" des Grünen Baubürgermeisters auf der Brücke "Blaues Wunder" sorgte im Mai für Mega-Staus, wurde vorzeitig abgebrochen. Kosten für den Flop: 70.000 Euro. Foto: Dirk Sukow

Im März 2006 verkaufte die sächsische Landeshauptstadt Dresden ihren kommunalen Wohnungsbestand an einen amerikanischen Investor, erzielte damit Einnahmen von 1,7 Milliarden Euro, ist seither eigentlich schuldenfrei.

Doch Missmanagement und viel Geld für allerlei Firlefanz brachten die Stadt jetzt an den Rand des Finanzkollapses.

Beispiel: Technische Werke Dresden (TWD). In der Holding sind die städtischen Firmen zusammengefasst. Energieversorger SachsenEnergie, Stadtreinigung, eine IT-Firma, zwei Immobilien-Firmen (für Ostragehege und Kongresszentrum), die Bäder GmbH und die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB).

Sorgenkind Verkehrsbetriebe

Bäder und DVB "erwirtschafteten" jedoch seit Jahren Verlust, mussten mit den Gewinnen von SachsenEnergie querfinanziert werden - zuletzt 55 Mio. Euro.

Zuletzt aber stieg das Defizit der Verkehrsbetriebe auf rund 100 Millionen Euro im Jahr. Grund: Verluste durch das 49-Euro-Ticket, aber auch "Maßlosigkeit und immer neues linksgrünes Chichi, mit dem sich die DVB befassen müssen", so Stadtrat Holger Zastrow (55). Und meint damit die defizitäre Fahrradausleihsparte, Mobi-Shuttles und immer neue teure Stadtbahnwagen-Anschaffungen (aktuell sieben weitere Bestellungen).

Explodierende Kosten - teure Prestigeprojekte

Gilt als "gesellig". Dresdens OB Hilbert
Foto: Robert Michael/dpa

In den zurückliegenden Jahren wurde unter OB Hilbert (zugleich Finanzbürgermeister der Stadt) das Geld ausgegeben, als gäb's kein Morgen. Umbau des Kulturpalastes (120 Mio. Euro), ein neues "Kulturkraftwerk" mit Operette (96 Mio.), der Neubau des Heinz-Steyer-Stadions (56 Mio.) und ein nagelneues Verwaltungszentrum in bester Lage (Kosten aktuell: 193 Mio. Euro!) genehmigte sich die Rathausspitze.

Da nehmen sich die 200.000 Euro, die Baubürgermeister Kühn ausgerechnet auf der nun kollabierten Carolabrücke für einen "Verkehrsversuch" zugunsten des Radverkehrs versenkte, geradezu wie Peanuts aus. Genauso die jährlichen Teenager-Partys von OB Hilbert im Rathaus für bis zu 189.000 Euro pro Fete.

Dagegen wird der Investitionsbedarf in die Infrastruktur Dresdens (Straßen, Fernwärme, Abwasser, IT) in den kommenden Jahren Rathaus-intern auf etwa 1,7 Milliarden Euro taxiert.

Die jetzt abrissreife Carolabrücke und ihr nötiger Neu- oder Wiederaufbau ist dabei noch gar nicht eingepreist.

Liste der Grausamkeiten

So richtig ins Kontor schlagen auch explodierende Kosten für die Flüchtlingsunterbringung in Dresden (rd. 160 Mio. Euro) und sinkende Gewerbesteuer-Einnahmen.

BILD erfuhr aus dem Rathaus: Um den Finanzkollaps der Stadt im Herbst abzuwenden, möchte OB Hilbert (der auch Finanzchef der Stadt ist) jetzt den Ausgaben-Rasenmäher anwerfen.

Im Vorfeld der fälligen Haushaltsberatungen seien die Chefs der städtischen Firmen sowie die Fachbürgermeister der Stadt aufgefordert worden, konkrete Sparvorschläge zu machen.

Inzwischen kursiert die Liste intern und steckt voller Grausamkeiten

So sollen die Takte von Bussen und Bahnen von 10 auf 15 Minuten verlängert werden. Das bringe rund 20 Mio. Euro Einsparungen durch die Stilllegung von bis zu 40 Fahrzeugen - und Entlassung von Mitarbeitern.

Schwebebahn und Standseilbahn sollen nur noch in der Sommersaison (von Ostern bis Oktober) fahren sowie zwei Fährverbindungen im Stadtgebiet eingespart werden.

Sämtliche Schulneubauten werden gestoppt, ebenso die für neue Schwimmhallen.

Kita-Beiträge sollen bis zur maximal möglichen Höhe angehoben werden.

Der Etat des Hygienemuseums soll um ein Fünftel abschmelzen, bei Bibliotheken, Beratungsstellen sowie Parks und Grünanlagen soll Geld nach dem Rasenmäher-Prinzip eingespart werden.

Verkauf der Stadtreinigung?

Frisches Geld in die Kassen soll auch ein teilweiser oder kompletter Verkauf der Dresdner Stadtreinigung (DSR) an einen privaten Betreiber bringen. Nach BILD-Informationen rechnet Hilbert dadurch mit rund 38 Millionen Euro für die Stadt.

Allerdings: Besonders teure Lieblingsprojekte von Dresden-OB Dirk Hilbert bleiben unangetastet. So plant der FDP-Mann in Dresden eine Bundesgartenschau. Kosten mindestens 130 Millionen Euro, die Sanierung und Öffnung des Fernsehturms für Publikumsverkehr (30 Mio.) und ein Kulturzentrum in einer alten Werkskantine (bis zu 30 Mio.).

Das galt jedenfalls bisher. Der Einsturz der Carolabrücke und dessen Folgen dürften die städtische Finanzplanung nun aber erneut über den Haufen werfen.


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